Schwarzes Blut: Thriller (German Edition)
bezweifelte, dass sie ihren dreizehnten Geburtstag bereits erlebt hatte.
10
»Der und seine Alte haben ’ne Schwangere gefoltert und allegemacht«, nuschelte der dicke Krankenpfleger. »Unten an der Grenze. Sie haben das Baby bei lebendigem Leib aus ihr rausgeschnitten. Hab gehört, sie hätten das arme Kleine verbrannt. Als Opfer für den Teufel.«
Junior, der vergessen in seinem Rollstuhl saß, lauschte fasziniert seiner eigenen schillernden Lebensgeschichte, die Alfonso gerade zum Besten gab. Der Uniformrock der Krankenschwester spannte über ihrem ausladenden Hinterteil.
Die Latina hob die Hand und legte sie auf den Mund. Ihre Augen weiteten sich in lustvollem Grauen. »Oh, bitte. Das will ich gar nicht hören«, sagte sie, hing aber trotzdem an den dicken Lippen des Mannes.
Sie hatte Alfonso bereits berichtet, dass sie nur für eine Woche als Vertretung für die an der Grippe erkrankte Assistentin des Doktors einsprang. Normalerweise arbeitete sie in einem Krankenhaus in der Stadt, hegte aber eine gewisse morbide Faszination für diese gefährlichen Geisteskranken.
»O ja, Baby. Der hier ist ein ganz gemeiner Motherfucker, das kann ich dir sagen.«
Die Schwester warf dem im Rollstuhl sitzenden Junior einen Blick zu. Dieser achtete sorgfältig darauf, dass er die Augen ins Nichts richtete, die Kiefermuskeln entspannte und die Arme schlaff von seinen Seiten herunterbaumeln ließ.
»Kann er uns denn nicht hören?«
»Nein. Sein Körper ist hier, aber sein Verstand macht gaaaanz lange Urlaub.«
»Hast du keine Angst vor ihm?«
»Alfonso, Baby. Ich heiße Al- fonso .«
»Hast du keine Angst vor diesen Leuten, Alfonso?«
Er lachte. »Alfonso hat vor niemandem Angst, Baby. Vor keinem.«
»Warum sitzt er im Rollstuhl?«
»Der hat dichtgemacht, Schätzchen. Ka-ta-to-nisch. Seit sie ihn für unzurechnungsfähig erklärt und hierhergekarrt haben, hat er nicht einen Muskel gerührt. Der kleine Junior hier ist mein Schützling. Ich füttere ihn und wasch ihn und wisch ihm seinen dürren weißen Arsch ab.«
»Du hast ein großes Herz, Alfonso.«
»Ich tu nur meine Pflicht.«
Die Schwester saß auf dem Stahlschreibtisch der Krankenstation und ließ die Beine baumeln. Ihr Rock war weit die Oberschenkel hinaufgerutscht. Alfonso legte eine Hand auf ihr Bein und kniff sanft in die Haut. Dann wanderten seine Finger unter den Rocksaum. Sie wartete einen Augenblick ab, bevor sie kichernd die Hand zurückstieß.
»Für so ’ne Süße bist du ganz schön schüchtern«, sagte er. »Wie heißt du?«
»Schwester Sanchez.«
»Deinen Beruf will ich nicht wissen, Baby. Nur deinen Vornamen .«
Sie kicherte wieder. »Conchita.«
» Conchita? Wie in dem Song?«
»Keine Ahnung.«
»Ja, ich glaub schon, Baby. Hast du Lust, ein bisschen mit mir und Junior spazieren zu gehen? Hmmmm?«
»Wohin denn?«
»Nur raus in den Garten. Ich fahr ihn jeden Tag ein paar Minuten an die frische Luft, damit seine Weißbrotvisage ein klein wenig Sonne abbekommt.«
»Darfst du das denn?«
»Kriegt ja niemand mit. Außerdem ist der kleine Junior völlig harmlos.« Er legte die Hand auf ihren Schenkel zurück. Diesmal wehrte sie sich nicht. »Wie wär’s?«
»Das geht nicht. Der Doktor kommt jeden Augenblick zurück. Vielleicht morgen.«
»Also gut, abgemacht.«
»Ich bin eine verheiratete Frau, Alfonso.«
»Von mir aus. Ich will dir ja auch keinen Antrag machen, Baby. Nur ein bisschen Spaß haben.«
Sie kicherte. Der Pfleger schob die Hand noch tiefer unter ihre Uniform und ging einen Schritt auf die Schwester zu. Er hatte Junior den breiten Rücken zugedreht und verdeckte ihr damit die Sicht.
Jetzt.
Junior streckte die Hand aus – die immer noch etwas störrisch auf seine Befehle reagierte – und schnappte sich das Skalpell, das neben einer Nierenschale und einem Paar Latexhandschuhe auf dem Tisch lag. Gerade als er die schmale Klinge in den Overallärmel geschoben hatte, öffnete sich die Tür. Ein Mann mittleren Alters, dessen Glatze so gesprenkelt wie ein Wachtelei war, trat ein.
»Wie kann ich Ihnen helfen, Pfleger?«
Die Schwester richtete sich auf und stöckelte durch den Raum zum flackernden Computermonitor hinüber. Alfonso nahm ein Klemmbrett vom Tisch und studierte es mit gerunzelter Stirn.
»Mann, Doc, tut mir leid«, sagte er. »Ich dachte, der Kleine hier hätte einen Termin, aber irgendwie hab ich da wohl was durcheinandergebracht.«
Der Doktor zuckte mit den Schultern und ging auf eine Tür mit
Weitere Kostenlose Bücher