Schwarzes Blut: Thriller (German Edition)
Deputy, ich gehe doch recht in der Annahme, dass dieses Verbrechen der Drogenkriminalität zuzuschlagen ist?«, fragte sie.
»Ja, Ma’am.«
»Und dass es sich sowohl bei den Opfern als auch bei den Tätern um Kriminelle handelt?«
»Da spricht nichts dagegen.«
»Kann ich also mit Ihrer Kooperation rechnen?«
»Und wie wird diese Kooperation aussehen?«
»Niemand, und ich wiederhole, niemand außer dem Gouverneur wird diese Angelegenheit kommentieren.«
»Ist mir ein Vergnügen, Ma’am.«
Ihr Gesicht verzog sich zu einem fast unmerklichen Lächeln, dann ging sie zu den Zelten zurück, wobei ihre schwarzen Pumps kleine Staubwolken aufwirbelten. Gene war entlassen.
Er pfiff seine Männer zurück und machte sich auf den Rückweg in die Stadt. Ganz offensichtlich hatte er sich umsonst Sorgen gemacht – diese Leute wollten die ganze Sache noch viel dringender vertuschen als er selbst.
Dann fiel ihm wieder ein, dass sich Skye heute Morgen in der Küche ganz anders bewegt hatte als sonst. Gene hielt an einer Kreuzung an und sah unwillkürlich zu dem Graben hinüber, in dem er seine Schwester damals gefunden hatte.
Eines Tages – ein paar Jahre, nachdem sein Vater zu den Marines gegangen war – waren Gene und seine Mutter auf dem Rückweg vom Einkaufen gewesen. An der Stelle, an der die Asphaltstraße in einen staubigen Schotterweg überging, waren sie in einen Sandsturm geraten.
Mitten im Nirgendwo war der alte Kombi auf der Straße hin und her geschlingert, und der Staub hatte ihnen jegliche Sicht genommen. Plötzlich hatte seine Mutter angehalten und Genes Hand genommen. Das Auto schaukelte im Wind, der um sie herum heulte und alles in eine gelbbraune Decke hüllte.
Ein paar heftige Böen später hatte sich der Sturm erschöpft. Eine unheimliche Stille folgte, als würde die Welt Atem holen. Dann wurde diese Stille vom hohen, dünnen Kreischen eines Babys durchbrochen.
Sie stiegen aus, und Gene entdeckte eine braune Pappschachtel im Straßengraben. Er öffnete sie und schreckte zurück, als er einen weinenden Säugling mit zappelnden Armen darin entdeckte. Seine Mutter nahm das nackte, rosafarbene Baby heraus und drückte es an ihre Brust, um es zu trösten. Sie wickelte es in eine Decke aus dem Kofferraum. Auf der Fahrt nach Hause balancierte Gene es ungeschickt auf seinem Schoß. Das Baby hatte inzwischen aufgehört zu weinen. Die Augen, die aus seinem staubigen kleinen Gesicht starrten, waren von einem so durchdringenden Blau, dass Gene den Blick abwenden musste.
Sobald sie zu Hause waren, rief seine Mutter Sheriff Lavender an, den Gatten ihrer Schwester. Eine halbe Stunde später untersuchte der gedrungene Mann mit Halbglatze und freundlichem Lächeln das Kind, trank eine Tasse Kaffee und tätigte einige Anrufe. Schnell wurde beschlossen, dass das Baby bei ihnen bleiben würde, bis man Näheres herausgefunden hatte. Was nie geschah, und so wurde das kleine Mädchen in die Familie aufgenommen. Genes Mutter nannte sie Skye – nach der Farbe ihrer Augen.
Als Genes Vater von seinem Kampfeinsatz zurückkam, war er noch schweigsamer geworden. Seine schmächtige Gestalt schien die Wut, die in ihm kochte, kaum zurückhalten zu können. Er sah sich das Kind an, schüttelte den Kopf und schenkte ihm keine weitere Beachtung. Genau wie ihn seine ersten tapsigen Schritte oder seine ersten Worte nicht interessierten. Skye sah ihm beim Bourbontrinken zu – den er inzwischen in immer größeren Mengen konsumierte – und sagte: »Dada«.
Genes Mutter war außer sich vor Freude. »Hast du das gehört? Hast du gehört, wie sie dich genannt hat?«
Genes Vater stand auf und drängte sich an ihnen vorbei, wobei Skye wieder auf ihren in Windeln gepackten Hintern fiel.
»Ich bin nicht der Papa von diesem Ding«, sagte er und holte sich eine neue Flasche.
Das Klingeln von Genes Handy holte ihn in die Gegenwart zurück. Er trat aufs Gas, ließ die Kreuzung hinter sich und nahm den Anruf entgegen.
»Martindale.«
»Deputy? Sheriff Drum hier.«
»Ja, Sheriff?«
»Ob du wohl so nett wärst und mich in, sagen wir, fünfzehn Minuten bei Earl’s treffen könntest?«
»Worum geht’s denn, Sheriff?«
»Um die Schweinerei beim Roadhouse.«
»Den Fall hat die State Police übernommen.«
»Deputy, du willst ganz bestimmt nicht, dass die State Police auch nur ein Sterbenswörtchen von dem erfährt, was ich dir zu sagen habe.«
»Dann komm in mein Büro.«
»Nein, Sir, das Diner ist mir lieber. In einer
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