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Schwarzes Blut

Schwarzes Blut

Titel: Schwarzes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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übertönt. Staub wirbelt hoch und dringt mir in die Augen, so daß ich Krishna nicht mehr sehen kann. Ich spüre ihn auch nicht mehr in meiner Nähe. Das Leuchten der Sterne verblaßt, und alles versinkt in Dunkel. Meine Sorgen lasten mir schwer auf der Seele.
Doch habe ich vielleicht das Lied verloren, weil ich selbst zum Lied geworden bin? Habe ich meinen Herrn verloren, weil ich wirklich danach trachte, das zu sein, was ich sein werde? Ein Liebhaber, der haßt, ein Heiliger, der sich versündigt, und ein Engel, der tötet?
    Ich erwache in einer Welt, in der ich nicht sein will. Einen Übergang gibt es für mich nicht. Ich bin im Paradies, und ich bin in der Hölle.
»Hallo?« ertönt eine Stimme.
Ich liege in einem schäbigen Hotel. Ich schaue mich um und erkenne eine angeschlagene Kommode, einen staubbedeckten Spiegel, der die nackten Wände reflektiert, und eine wuchtige Matratze. Auf dieser Matratze liege ich, nackt und nur mit einem Laken bedeckt. Was ich noch im Spiegel entdecke, ist Kommissar Joel Drake, der gleich neben dem Fenster auf einem Stuhl sitzt und ungeduldig darauf wartet, daß ich ihm antworte. Aber zunächst einmal sage ich überhaupt nichts.
Ray ist tot. Das weiß ich, und das fühle ich. Zugleich habe ich viel zu starke Schmerzen, um überhaupt sonst noch etwas zu fühlen. Ich höre, wie mein Herz schlägt. Es kann aber nicht zu mir gehören. Ich meinem langen Leben habe ich das Blut von Tausenden getrunken, jetzt aber bin ich ein leeres Gefäß. Obwohl es warm ist im Zimmer, fröstelt es mich.
»Ja?« sage ich schließlich.
»Sita.« Ich sehe im Spiegel, wie das Spiegelbild von Joel aufsteht und sich neben mir aufs Bett setzt. Die durchgelegenen Sprungfedern reagieren auf das Gewicht, und ich hänge in der Mitte durch. »Geht es dir besser?« fragt er.
»Ja.«
»Du bist hier in einem Motel. Ich hab’ dich nach der Explosion im Lagerhaus hergebracht. Das war vor zwölf Stunden. Du hast den ganzen Tag geschlafen.«
»Ja.«
Er redet und traut dabei seinen eigenen Worten nicht. »Ich bin dir gefolgt. Ich war bei seiner Mutter. Sie war in einem merkwürdigen Zustand und völlig wirr. Sie nannte immer wieder die Adresse des Lagerhauses, das in die Luft geflogen ist. Sonst hat sie kaum etwas gesagt.«
»Ja.« Ich habe Eddies Mutter ganz offensichtlich zu hart rangenommen, meine Suggestionskraft zu massiv in ihre Psyche eingeätzt und dabei eine Echowelle ausgelöst. Das ist mir in der Vergangenheit auch schon passiert, aber die Symptome dauern selten länger an. In ein oder zwei Tagen wird die Frau sicher wieder auf dem Damm sein. Was mir eigentlich egal ist.
»Ich bin dann sofort zum Lagerhaus«, fährt Joel fort. »Als ich dort ankam, hatten du und dein Partner es mit diesem Kerl zu tun. Ich bin gerade rübergerannt, als es eine Explosion gab.« Er hält inne. »Du bist weggeflogen, und ich war sicher, du bist tot. Du bist unglaublich hart gegen eine Steinwand geknallt, und alle deine Sachen brannten lichterloh. Dann bemerkte ich, daß du noch atmest. Ich hab’ dich in meinen Wagen gehoben und wollte dich gerade ins Krankenhaus bringen, als ich merkte… Ich habe es mit eigenen Augen gesehen.« Er hat Mühe, weiterzusprechen. »Deine Wunden sind verheilt, während ich noch zuschaute. Die Einschnitte bei dir im Gesicht haben sich geschlossen, und dein Rücken – er muß zigmal gebrochen gewesen sein – ist einfach wieder zusammengewachsen. Das hier kann gar nicht sein, dachte ich bei mir. Ich kann sie so doch nicht in ein Krankenhaus bringen. Sie schließen sie zehn Jahre lang irgendwo ein, um mit ihr Experimente anzustellen.« Er verstummt. »Also habe ich dich hierhergebracht. Hast du begriffen, was ich dir jetzt erzählt habe?«
»Ja.«
Er wirkt richtiggehend verzweifelt. »Was geht denn hier vor? Erzähl es mir. Wer bist du?«
Ich starre noch immer in den Spiegel. Ich will nicht danach fragen. Einfach nur fragen, das ist ein Zeichen von Schwäche, und ich bin doch immer stark. Es ist nicht so, als hätte ich Hoffnung. Ich frage trotzdem.
»Der junge Mann beim Tankwagen…«, fange ich an.
»Dein Partner? Der, der in Flammen stand?«
»Ja.« Ich muß schlucken. Meine Kehle ist trocken. »Ist er auch weggeflogen?«
Joel wird sanft. »Nein.«
»Bist du sicher?«
»Ja.«
»Aber tot ist er?«
Joel begreift, worauf ich hinauswill. Mein Partner war wie ich, kein normaler Mensch. Selbst mit schweren Verletzungen könnte er wieder gesund werden. Aber Joel schüttelt nur den Kopf, und ich weiß,

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