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Schwarzes Blut

Schwarzes Blut

Titel: Schwarzes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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eigenes Gesicht heran. Er hat widerlichen Mundgeruch; er saugt seine Opfer wohl nicht bloß aus, sondern frißt sie auch noch auf. Er sieht aus, als wollte er jetzt eine Portion von mir herausschlingen. Er hat den Blick eines Wahnsinnigen: erregt und zugleich wutentbrannt. Er zieht mich an den Haaren und reißt mir dabei tausend Wurzeln aus.
»Das tut weh«, sage ich.
Er grinst nur und holt mit der Faust aus. »Mal sehen, wie dir das hier erst schmeckt, Sita.«
Ich schließe die Augen und warte auf den Schlag. Und der, davon bin ich überzeugt, schickt mich ins Gelobte Land. Ich hoffe nur, daß ich genug Zeit für Ray herausgeschunden habe. Was ich allerdings nicht verstehe, ist, das Ray noch immer Zeit für mich herausschinden will. Der Schlag kommt nie bei mir an. Von weit her höre ich Ray sprechen.
»Eddie«, sagt er mit fester Stimme.
Ich öffne die Augen. Eddie und ich schauen beide zu ihm hinüber und stellen fest, daß er sich nicht an meine Anweisung gehalten hat, die Lunte zu entzünden. Statt dessen hat Ray mit der Faust ein Loch in den Tank geboxt. Wie ein sprudelnder Schwall bei einem Dammbruch strömt das Benzin neben ihm aus. Noch bemerkenswerter allerdings ist die Tatsache, daß Ray bereits ein Streichholz entflammt hat und es sich über den Kopf hält wie eine Minitaschenlampe, die uns sicher am Schattental des Todes vorbeibringt. Oder nichts wie hinein. Mir ist klar, daß Benzindämpfe noch brennbarer sind als die Flüssigkeit selbst. Und Ray steht regelrecht in einer Benzinwolke. Was nicht heißen soll, daß Eddie und ich uns in Sicherheit befänden. Der Treibstoff hat uns beiden die Füße genäßt.
»Ich habe bloß ein einziges Streichholz«, sagt Ray zu Eddie. »Wenn du Sita nicht in Frieden läßt, werfe ich es hinein. Was sagst du dazu?«
Eddie schnallt es einfach nicht. »Du bluffst nur«, sagt er.
Ich schaue Ray an. »Tue es nicht«, bitte ich ihn.
Ray lächelt matt zu mir hin. »Lauf, Sita. Flieh. Geh zurück und kämpfe ein anderes Mal mit ihm. Am Ende wirst du gewinnen. Denk daran, du hast die Gnade Krishnas.« Seine Finger bewegen sich.
»Ray!« schreie ich.
Er läßt das brennende Streichholz fallen. Und sofort läßt Eddie mich fallen. Einen Augenblick lang verfolge ich gebannt, wie die kleine orangefarbene Flamme auf den Wasserfall aus Benzin stürzt. Trotz meines unendlichen Alters, trotz der ungezählten Tode, die ich mit angesehen habe, kann ich es nicht fassen, daß eine solch winzige Flamme die Kraft hat, mein Universum zu versengen und alles zu verbrennen, was mir lieb ist und was ich verehre. Aber ich wundere mich nicht allzulange. Das Streichholz ist erst auf halben Weg zum Boden, als ich auch schon auf Ray losspringe. Doch selbst ich, Yakshas Musterschülerin, bin langsamer als die Schwerkraft. Bevor ich Rays Hände fassen kann, die er in die Höhe hält, um mich von ihm fernzuhalten, berührt das Streichholz den dahintreibenden Fluß Benzin.
»Nein!« rufe ich gellend.
Das Inferno setzt ein. Das Benzin zu seinen Füßen entzündet sich. Die Flammen rasen an seinen durchweichten Kleidern hoch. In Sekundenbruchteilen wird mein wunderschöner Junge zur lebenden Fackel. Einen Moment noch erkenne ich durch die Flammen hindurch seine Augen. Vielleicht täuscht das Licht, aber seine braunen Augen erscheinen mir auf einmal blau, leuchten mit dem Licht der Sterne, die ich nie gesehen habe oder an die ich mich nicht mehr erinnere. Auf seinem Gesicht steht kein Schmerz, er hat sich aus eigenem Antrieb entschieden, mich zu retten, um alle zu retten. Einen Augenblick lang wirkt er wie eine Kerze, die Gott geopfert werden soll. Die Flammen sind jedoch nicht untätig: Sie fressen sich zu mir hin, springen auf den Tankzug über, der hinter Ray steht. Der Tankwagen steht näher. Bevor auch meine Beine brennen, bevor ich Ray erreichen und aus dem Inferno herausreißen kann, züngelt das Feuer in die Öffnung, die Ray in den Tank geschlagen hat. Der Feuerstrom ist nicht die Zündschnur, die wir vorgesehen hatten, hat aber die gleiche Wirkung.
Der Tanklastzug explodiert.
Eine wütende rote Hand setzt meinen Körper in Flammen. Ein letztesmal erkenne ich Rays verglühende Konturen, die sich unter dem Hammer der Schockwellen auflösen. Dann fliege ich durch die Luft, schieße durch den Rauch hindurch. Verschwommen taucht eine Wand auf; hart pralle ich gegen sie und spüre, wie mir jeder einzelne Knochen im Leib bricht. Ich sacke zu Boden, falle in einen Brunnen der Verzweiflung. Meine Kleider

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