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Schwarzes Echo

Schwarzes Echo

Titel: Schwarzes Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Dienstvorschriften suspendieren.«
    »Ich wollte nur sagen: Selbst wenn sie recht hatten, hatten sie unrecht. Für mich war das Gerechtigkeit. Du wußtest, was mit so einem passiert. Sieh dir den Night Stalker an. Der kommt nie in die Gaskammer. Oder es dauert zwanzig Jahre.«
    Bosch wurde es unbehaglich. Über seine Motive und Vorgehensweisen im Dollmaker-Fall hatte er bisher nur nachgedacht, wenn er allein war. Noch nie hatte er laut darüber gesprochen. Er wußte nicht, worauf sie hinaus wollte.
    Sie sagte: »Ich weiß, wenn es so wäre, könntest du es niemals zugeben, aber ich glaube, daß du bewußt oder unbewußt eine Entscheidung getroffen hast. Du wolltest Gerechtigkeit für all diese Frauen, seine Opfer. Vielleicht sogar für deine Mutter.«
    Erschrocken drehte sich Bosch zu ihr um und wollte gerade fragen, was sie von seiner Mutter wußte und wie sie auf eine Verbindung zu Dollmaker kam. Dann fielen ihm die Akten ein. Wahrscheinlich stand es da irgendwo. Als er sich beim Department beworben hatte, mußte er angeben, ob er oder ein naher Verwandter jemals Opfer eines Verbrechens geworden war. Mit elf sei er Waise geworden, hatte er geschrieben, nachdem man seine Mutter erdrosselt in einer Seitenstraße am Hollywood Boulevard aufgefunden hatte. Er mußte nicht schreiben, womit sie ihren Lebensunterhalt verdient hatte. Die Ortsangabe und das Verbrechen sagten alles.
    Als er sich wieder gefaßt hatte, fragte Bosch Eleanor, was sie im Sinn hatte.
    »Nichts weiter«, sagte sie. »Ich … respektiere das. Ich an deiner Stelle hätte dasselbe getan, glaube ich. Ich hoffe, ich hätte den Mut aufgebracht.«
    Er sah zu ihr hinüber, beide Gesichter im Schutz der Dunkelheit. Inzwischen war es spät, und kein Auto fuhr vorbei, das ihre Gesichter erhellt hätte.
    »Nimm du ruhig die erste Schlafschicht«, sagte er. »Ich hab zuviel Kaffee getrunken.«
    Sie antwortete nicht. Er bot an, ihr eine Decke aus dem Kofferraum zu holen, aber sie lehnte ab, wollte nicht.
    »Hast du mal gehört, was J. Edgar Hoover über Gerechtigkeit gesagt hat?« fragte sie.
    »Wahrscheinlich hat er eine Menge gesagt, aber ich kann mich an nichts Bestimmtes erinnern.«
    »Er hat gesagt, Gerechtigkeit hätte mit Recht und Ordnung nur am Rande zu tun. Ich glaube, er hatte recht.«
    Weiter sagte sie nichts, und nach einer Weile hörte er, wie sie immer tiefer und langsamer atmete. Wenn hin und wieder ein Auto vorbeifuhr, sah er in ihr Gesicht und beobachtete, wie das Licht darüberstrich. Sie schlief wie ein Kind, hatte den Kopf in ihre Hände gelegt. Bosch öffnete das Fenster einen Spalt weit und steckte sich eine Zigarette an. Er rauchte und überlegte, ob er sich in sie verlieben konnte oder würde und sie sich in ihn. Der Gedanke war überwältigend und beunruhigend zugleich.

SIEBTER TEIL
Samstag, 26. Mai
    Morgengrauen lag über der Straße und warf mattes Licht in den Wagen. Es nieselte leicht, die Straße war feucht, und die untere Hälfte der Scheiben am Beverly Hills Safe & Lock war beschlagen. Soweit sich Bosch erinnern konnte, war es seit Monaten der erste Regen. Wish schlief, und er beobachtete den Tresor. Nach wie vor schimmerte das Licht der Deckenlampen auf Chrom und Stahl. Es war schon nach sechs, aber Bosch hatte den Anruf bei Rourke vergessen und Eleanor schlafen lassen. Die ganze Nacht über hatte er sie nicht geweckt. Er wurde einfach nicht müde. Houck hatte sich um halb vier über Funk gemeldet, um sicherzugehen, daß einer von ihnen wach war. Danach gab es keine Störungen mehr und auch keine Aktivitäten im Tresorraum. Den Rest der Nacht dachte Bosch abwechselnd an Eleanor Wish und den Tresor, den er bewachte.
    Er griff nach seiner Tasse auf dem Armaturenbrett und sah nach, ob er noch einen Schluck kalten Kaffee hatte, aber sie war leer. Er ließ sie hinter sich auf den Boden fallen, wobei er das Paket aus St. Louis auf dem Rücksitz bemerkte. Er langte nach hinten, zog den dicken Packen Papier aus dem braunen Umschlag, blätterte träge darin herum und sah alle paar Sekunden zum Tresor hinüber.
    Das meiste von Meadows’ Militärakten hatte er schon gesehen. Bald aber merkte er, daß einiges darunter war, was er nicht aus dem FBI-Ordner kannte, den Wish ihm gegeben hatte. Dies war eine vollständigere Akte. Dazu gehörte eine Fotokopie seines Einberufungsbescheids und des Musterungsgutachtens. Weiterhin gab es medizinische Gutachten aus Saigon. Zweimal war er gegen Syphilis behandelt worden, einmal wegen akuter

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