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Schwarzes Echo

Schwarzes Echo

Titel: Schwarzes Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Streßsymptome.
    Beim Durchblättern des Packens blieb er an der Kopie eines zweiseitigen Briefes von einem Kongreßabgeordneten namens Noone aus Louisiana hängen. Neugierig fing Bosch an zu lesen. Der Brief stammte aus dem Jahr 1973, war an Meadows in der Botschaft von Saigon adressiert und trug das offizielle Siegel des Kongresses. Noone dankte Meadows für seine Gastfreundschaft und Hilfe während eines kürzlich abgeschlossenen Informationsbesuchs des Kongreßabgeordneten. Noone betonte, wie angenehm überrascht er gewesen sei, in einem fremden Land auf jemanden aus seiner Heimatstadt New Iberia zu stoßen. Bosch fragte sich, wie zufällig dieses Treffen wohl gewesen war. Wahrscheinlich hatte man Meadows dem Abgeordneten zugeteilt, damit dieser von vornherein wohlgesonnen war und mit einer hohen Meinung von Personal und Moral in Südostasien nach Washington heimkehrte. Es gibt keine Zufälle.
    Auf der zweiten Seite des Briefes wurde Meadows zu seiner Beförderung gratuliert. Man bezog sich dabei auf die lobenden Berichte, die Noone von Meadows’ Vorgesetzten bekommen hatte. Bosch las weiter. Meadows’ Einsatz wurde besonders hervorgehoben, da er während des Aufenthaltes des Kongreßabgeordneten ein illegales Eindringen in das Botschaftshotel verhindert hatte. Ein gewisser Lieutenant Rourke hatte den Mitarbeitern des Abgeordneten Einzelheiten dieser Heldentat geliefert. Bosch spürte ein Zittern unter dem Herzen, als würde alles Blut dort abfließen. Der Brief endete mit einigem Geplauder über seine Heimatstadt. Darunter standen die große, fließende Unterschrift des Kongreßabgeordneten und ein maschinengeschriebener Hinweis am linken unteren Rand:

    Kopien an: US Army, Records Division, Washington, D. C.
    Lt. John H. Rourke, US Botschaft, Saigon, V. N.
    The Daily Iberian; Nachrichtenredaktion

    Bosch starrte die zweite Seite lange an, ohne sich zu rühren oder zu atmen. Er spürte, wie Übelkeit in ihm aufstieg, und er wischte sich mit der Hand über die Stirn. Er überlegte, ob er Rourkes zweiten Namen oder dessen Anfangsbuchstaben jemals gehört hatte. Aber das war egal. Es gab keinen Zweifel. Keine Zufälle.
    Eleanors Pieper ging los, erschreckte beide wie ein Schuß. Sie beugte sich vor und fing an, in ihrer Handtasche herumzukramen, bis sie den Pieper gefunden und den Lärm abgestellt hatte.
    »Oh, Gott, wie spät ist es?« fragte sie völlig durcheinander.
    Er sagte, es sei zwanzig nach sechs, und erst da fiel ihm ein, daß sie sich bei Rourke vor zwanzig Minuten per Telefon hätten melden sollen. Er schob den Brief wieder zwischen die Papiere, steckte alles in den Umschlag zurück und warf ihn auf den Rücksitz.
    »Ich muß mich melden«, sagte Wish.
    »Hey, laß dir Zeit mit dem Aufwachen«, warf Bosch schnell ein. »Ich werd ihn anrufen. Ich muß mir sowieso eine Toilette suchen, und dann besorg’ ich uns Kaffee und Wasser.«
    Er öffnete die Tür und stieg aus, bevor sie gegen seinen Plan Protest einlegen konnte. Sie sagte: »Harry, wieso hast du mich schlafen lassen?«
    »Ich weiß nicht. Wie ist seine Nummer?«
    »Ich sollte ihn anrufen.«
    »Laß mich. Gib mir die Nummer.«
    Sie gab sie ihm, und Bosch lief um die Ecke und ein kleines Stück zu dem rund um die Uhr geöffneten Darling’s. Den ganzen Weg über war er wie benommen, ignorierte die Bettler, die mit der Sonne herausgekommen waren, und versuchte sich vorzustellen, daß Rourke der Informant war. Was machte er? Irgend etwas fehlte, und Bosch kam nicht drauf. Wenn Rourke der Informant war, wieso gestattete er ihnen dann, den Tresor zu observieren? Wollte er, daß seine Leute gefaßt wurden? Er sah die Telefonzellen vor dem Restaurant.
    »Sie sind spät dran«, sagte Rourke nach einem halben Klingeln.
    »Wir hatten es vergessen.«
    »Bosch? Wo ist Wish? Sie sollte anrufen.«
    »Keine Sorge, Rourke, sie paßt – wie verabredet – auf den Tresor auf. Was machen Sie?«
    »Ich hab gewartet, von Ihnen zu hören, bevor ich mich auf den Weg mache. Sind Sie beide eingeschlafen, oder was? Was geht da vor sich?«
    »Nichts geht vor sich. Aber das wissen Sie doch längst, oder?«
    Es folgte Schweigen, während ein alter Mann an die Telefonzelle trat und Bosch um Geld anbettelte. Bosch stieß ihn weg.
    »Sind Sie noch da, Rourke?« sagte er ins Telefon.
    »Was soll das heißen? Woher soll ich wissen, was vor sich geht, wenn keiner von Ihnen sich – wie verabredet – meldet? Und Sie immer mit Ihren versteckten Andeutungen … Bosch, ich

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