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Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters

Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters

Titel: Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lochthofen
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«Schipr», das die Herren als Rasierwasser bevorzugten, war es jedenfalls nicht.
    Noch bevor Lorenz etwas fragen konnte, schrie ihn der Untersuchungsführer an:
    «Leugnen ist zwecklos! Sie sind überführt! Die Liste mit den Namen der Verräter ist fertig! Von Ihnen brauche ich nur die Bestätigung!»
    Sie saßen sich an einem Tisch gegenüber, Auge in Auge, der Raum nur von der Schreibtischlampe erleuchtet. Im Schatten duckte sich ein Protokollant über seinem Papier, an der Tür lehnte ein Soldat.
    Der NKWD-Mann hatte den Tag bis dahin gut verbracht. Ausgeschlafen, anschließend in der «geschlossenen Stolowaja», einer Kantine, zu der normale Menschen keinen Zutritt hatten, reichlich gegessen. Gegen Abend tauchte Schrottkin in seinem Büro auf, ging die Liste seiner potenziellen Kunden durch und blieb bei dem Deutschen mit dem unaussprechlichen Namen stehen. Irgendwas musste man mit ihm machen. Nur was? Schrottkin mochte die Deutschen nicht. Nicht die von der Wolga und erst recht nicht die aus dem Reich. Alles Klugscheißer, alles Leute, die einem Scherereien machten.
    Da half nur eins: Die Verhältnisse sofort klären. Schrottkins Stimme überschlug sich. Von Spionen, Schädlingen, Verrätern war die Rede. Von Agenten, die es auf Stalins Leben und die Sowjetmacht abgesehen hätten. Doch er, Schrottkin, werde sie alle erkennen, sie wie Wanzen zerquetschen, und wenn es sein musste, mit heißem Eisen ausbrennen. Er fuchtelte mit einem Zettel in der Luft herum, auf dem, so viel hatte Lorenz verstanden, sein Name und die Namen weiterer Verdächtiger standen.
    «Sie sind Mitglied einer weitverzweigten Verschwörung trotzkistischer Elemente! Ich sage noch einmal: Leugnen ist zwecklos! Geben Sie alles zu! Um so eher sind wir hier fertig. Umso geringer fällt Ihre Strafe aus.»
    Er? Umsturz? Stalin umbringen? Lorenz hatte so etwas wie Spionage erwartet. Schließlich war er Deutscher, verdächtig genug. Vielleicht unterstellten sie ihm ja, er sei Agent der Weltbourgeoisie. Aber das? Umsturz der Sowjetmacht. Er? Der Mann musste verrückt sein. Vollkommen irre. Dessen unerwarteter Wutausbruch, das laute Geschrei hatte den Häftling nicht zu Widerspruch angestachelt, sondern eher apathisch auf dem Stuhl zusammensinken lassen. Die grelle Lampe, unter deren Lichtkegel mal Schrottkins volles Gesicht zu sehen war, mal nur die Stahlzähne im geifernden Mund, ließ einen vernünftigen Gedanken ohnehin nicht aufkommen. Was sollte man auf einen solchen Unsinn auch sagen?
    «Gib es zu! Abstreiten ist zwecklos!», ratterte der Mann wie ein Maschinengewehr ununterbrochen Worte aus sich heraus. Dass er zum Du übergegangen war, empörte Lorenz, aber er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Schrottkin beugte sich drohend über den Tisch, der rote Stern auf seiner Mütze blitzte für einen Moment auf:
    «Willst du nicht endlich gestehen? Das erspart dir und uns viel Ärger. Warum sich quälen? Wer sind deine Komplizen? Nur keine Scheu vor hohen Namen. Es ist egal, woher sie kommen, ob aus Engels oder Saratow. Moskau wäre auch nicht schlecht. Du bist doch so ein Schreiberling, ja, ein Journalist, da kennt man doch Hinz und Kunz bei der Komintern. Denkst du nicht, dass es auch dort Verräter und Spione gibt? Da hat doch jeder Zweite einen Auftrag von der Gestapo oder dem Intelligence Service. Hier, ein Blatt Papier und ein Stift. Schreib auf, wen du kennst. Aber flott. Wir brauchen Namen. Vor allem Namen.»
    Er schob Lorenz das Papier über den Tisch.
    «Nur zu, das erleichtert deine Lage deutlich. Und keine Angst: Wenn die Leute nichts verbrochen haben, passiert ihnen auch nichts. Bei uns geht alles nach Recht und Ordnung. Nach dem proletarischen Recht. Oder glaubst du nicht, dass die Weltbourgeoisie unseren Untergang wünscht? Aber da haben sich die Herren Roosevelt und Chamberlain verrechnet. Also, was ist? Geben Sie es zu?! Und ich kümmere mich persönlich darum, dass Sie nicht nach Sibirien kommen. Da ist es kalt. Sehr kalt. Das ist doch nichts für einen Deutschen. Das halten selbst Russen kaum aus. Und?»
    Schrottkin machte eine Pause. Er war vom Herrschafts-Du wieder zum Sie gewechselt, aber das hielt nicht lange.
    «Namen! Ich brauch N-a-m-e-n! N-a-m-e-n, verstehst du?»
    Doch der Gefangene schwieg. Schwieg schon die ganze Zeit. Langsam erkannte Schrottkin, dass sein erster Ansturm nichts gebracht hatte. Nun schwieg auch er. Man sah es an seinem nach innen gerichteten Blick, er dachte nach. Es dauerte zwei, drei Minuten, dann

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