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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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begeistert von seinem Pflichtbesuch bei der Polizei. Der Vater stellte sich als Benjamin Stephan Zobel-Bergen vor. Er wohnte mit Frau und Kind in Hirschberg nur wenige Meter vom Anwesen Doktor Fahlenbergs entfernt. Sein Söhnchen trug eine hübsche blaue Dose unter den Arm geklemmt, die früher einmal Nürnberger Elisenlebkuchen enthalten hatte, und musterte mich finster.
    »Ralfi, möchtest du dem Herrn nicht mal zeigen, was unser kleiner Che Tolles gefunden hat?«, fragte der Vater seinen Sohn liebevoll.
    Der drückte seine Dose an die Brust und hatte sichtlich keine Lust, irgendwem irgendwas zu zeigen.
    »Che Guevara, das ist unser Hundchen«, klärte Zobel-Bergen mich unerbittlich lächelnd auf. »Ein Mischling, er ist fuchsrot, und drum dachten meine Frau und ich … nun ja, ›Che‹ heißt ja schließlich Fuchs.«
    Ralfi sah mich rauflustig an und umklammerte seine Schatztruhe noch ein wenig fester. Ich erfuhr, dass sein Vater nicht etwa Lehrer war oder Sozialarbeiter, wie ich getippt hätte, sondern Investmentbanker in Frankfurt. Derzeit hatte er allerdings Urlaub. Er wandte sich wieder seinem Sohnemännchen zu, und sein Ton wurde eine winzige Nuance ernster.
    »Bitte, Ralfi, nun zeigen wir dem Herrn Gerlach mal, was in deiner Dose ist.«
    Ralfi dachte nicht daran.
    »Oder müssen wir etwa die Mami holen?«
    Dies schien mir in diesem Zusammenhang eine merkwürdige Drohung zu sein.
    »Meine Frau wartet draußen«, sagte der Vater leicht verlegen und fuhr sich irritiert zwinkernd mit einer gepflegten Hand über die ausgeprägte Stirnglatze. »Stella hatte früher mal, also viel früher, in ihrer Studienzeit noch, da hatte sie mal ein wenig Stress mit der Polizei … wegen ihrer … nun ja, politischen … Sie wissen schon.«
    Während er sprach, war seine Stimme leiser und leiser geworden.
    Ich versuchte selbst mein Glück. Als Vater zweier Töchter kann man schließlich mit kleinen Kindern umgehen.
    »Was hast du denn da Schönes in deiner hübschen Dose?«
    »Quatsch für’n Arsch«, lautete die knappe Antwort.
    »Euer kleiner Che, ist der nett?«
    »Nee. Scheißblöd.«
    »Ralfi!« Der Vater wurde doch eine Spur ungehalten. »Spricht man denn so mit Erwachsenen?«
    »Spielst du oft mit deinem Hundchen?«
    »Nee. Der stinkt.« Ralfi stellte die Lebkuchendose auf seine Oberschenkel und legte beide Arme darauf. »Und der schläft sowieso immer.«
    »Che ist ja auch noch ziemlich jung«, gab Zobel-Bergen zu bedenken. »Da muss er noch viel schlafen. Wie der kleine Ralfi ja auch.«
    »Will aber nicht schlafen! Schlafen ist auch scheißblöd!«
    Der Vater machte verhaltene Atemübungen.
    »Wir dachten, wenn die zwei zusammen aufwachsen, wir – ähm – wir wissen im Augenblick noch nicht, ob der Storch noch mal …«
    »Vielleicht erzählst du mir einfach, was Che gefunden hat«, schlug ich vor. »Du musst es mir ja nicht unbedingt zeigen.«
    Ralfi sah woanders hin.
    Der Vater lief rot an. »Sieh mal, der nette Herr Gerlach nimmt sich extra Zeit für uns …«
    »Will aber nicht!«
    Ich hüstelte und sah auf die Uhr. In einer halben Stunde erwartete mich Theresa. Aber das konnte ich ja jetzt schlecht sagen.
    Zobel-Bergen sah mich an, sah seinen Sohn an, dann wieder mich, und plötzlich entriss er Ralfi die Dose, klappte den Deckel hoch und entleerte den gesamten Inhalt auf meinem Schreibtisch. Ralfi begann ohne Luft zu holen zu kreischen, als steckte er am Grillspieß. Für sein zartes Alter verfügte er über ein erstaunliches Stimmvolumen.
    »Das hier!«, brüllte Zobel-Bürgen gegen das Geschrei an und hob etwas hoch, was ziemlich klein war. »Ein Zahn!«
    Er begann, den restlichen Kram achtlos zurück in die Dose zu stopfen. Federn sah ich, große und kleine Blätter, eine rostige Holzschraube, ein paar vollkommen nichtssagende Kieselsteine, einen großen und einen kleinen gedörrten Frosch, etwas, was der skelettierte Kopf eines Vogels sein konnte, einen halb gelutschten, zitronenfarbenen und überaus schmutzigen Lolli. Mit jedem Teil, das in die Büchse fiel, wurde Ralfi leiser.
    »Ein Backenzahn«, seufzte der Vater erschöpft. »Che hat ihn beim Spazierengehen gefunden, ganz in der Nähe vom Fahlenbergschen Park.«
    Ich schob den Zahn mit einem Kuli ein wenig hin und her und betrachtete ihn von allen Seiten.
    »Ein Siebenunddreißiger.« Zobel-Bergen drückte Ralfi seine Dose achtlos wieder in den Schoß. »Der zweitletzte Backenzahn unten links. Von einem Mann, würde ich angesichts der Größe

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