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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber
Autoren: Wolfgang Burger
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gutem Willen hätte sie mir – Absprache hin oder her – ein paar Worte schreiben können. Dass Theresa sich nicht rührte, konnte nur eines bedeuten: Ich war ihr nicht wichtig.
    Inzwischen war ich nicht nur ein bisschen enttäuscht, ich war schon fast beleidigt. Und ja, ich gebe es zu, idiotischerweise eifersüchtig auf ihren Mann. Zur Strafe schrieb ich ihr auch nicht.
    In meinem Vorzimmer war es still. Überall im Haus war es still. Die Heidelberger Polizeidirektion schien ausgestorben. Jeder, der bei diesen Temperaturen Dienst tun musste, versuchte, sich so wenig wie möglich zu bewegen. Auf der A5 war eine Geschwindigkeitsbeschränkung verfügt worden, hatte ich im Radio gehört, weil die Fahrbahn Wellen warf. Die Bahn hatte technische Probleme mit durchhängenden Oberleitungen und verzogenen Schienen. Dafür meldeten die Freibäder einen Rekordumsatz nach dem anderen.
    Die unbekannte Frau im Klinikum sprach noch immer nicht, erfuhr ich am Telefon. Taub war sie nicht, sie reagierte auf Geräusche. Aber noch immer vermochte niemand zu sagen, ob sie stumm geboren war oder aufgrund irgendwelcher Hirnverletzungen oder durch den Schock des Überfalls nicht sprechen konnte. Versuche, schriftlich mit ihr in Verbindung zu treten, um wenigstens ihren Namen zu erfahren, hatten bisher zu keinem Erfolg geführt.
    Die Ärzte schienen vorläufig mit ihrer Patientin nicht weiterzukommen. Alles, was von unserer Seite zu tun war, war getan. In Runkels Nachforschungen setzte ich keine großen Hoffnungen. So beschloss ich, bis zum Ende der Woche abzuwarten. Sollte sich dann noch immer niemand gemeldet haben, der die Verletzte kannte, so würde ich eine zweite Pressekampagne starten. Europaweit diesmal und vielleicht auch in den USA. Wenn wir die Geschichte richtig verpackten, würden sich die Medien darauf stürzen, denn Menschen, die plötzlich aus dem Nichts auftauchen, ohne Vorgeschichte, ohne Erinnerungen, regen unsere Phantasie an. Sie schaffen Raum für Träume und Ängste. Diese uralte Angst in jedem von uns, verloren zu gehen, plötzlich aus dem Netz unserer Beziehungen zu fallen, unvermittelt allein zu sein auf dieser manchmal gar nicht freundlichen Welt.
    Ich beantwortete einige dienstliche E-Mails. Ein Gymnasiast wollte wissen, wie groß die Karrierechancen bei der Polizei heutzutage waren und wie es mit der Bezahlung aussah. Ich schrieb ihm, Polizisten würden immer gebraucht, aber selten reich sterben. Einige der üblichen Querulanten hatten irgendwelche Beschwerden, die sie unbedingt bei höchster Stelle loswerden wollten. Ich schrieb jedem von ihnen ein paar nichtssagende Freundlichkeiten zurück. Ein anonymer Absender behauptete, seine Nachbarin habe schon wieder seinen Hund vergiftet. Ich bat ihn um weitere Details.
    Meine Töchter waren heute Morgen noch vor mir aufgebrochen, hatten sich in ihren funkelnagelneuen, nach Leder und Abenteuer riechenden Stiefeln, mit schicken schwarzen Helmen auf den Köpfen und Reitgerten unterm Arm auf ihre Räder geschwungen, um über den Neckar nach Handschuhsheim zu radeln und ihr Pflegepferd zu verhätscheln. Ich war es zufrieden. Auf diese Weise lernten sie, Verantwortung zu übernehmen, Termine einzuhalten, sich zuständig zu fühlen. Nur eines war mir gestern Abend durch den Kopf gegangen: Wenn es wirklich zutraf, dass Mädchen im Alter meiner Töchter ihre unerlaubte erotische Liebe zum Vater gerne auf ein Pferd projizierten, was hatte es dann zu bedeuten, wenn es sich dabei um ein weibliches Tier handelte?
    Es klopfte, Balke erschien mit einigen Papieren in der Hand und mächtigen Schweißflecken an seinem dunkelblauen, eine Spur zu engen T-Shirt.
    »Hätten Sie kurz Zeit?«
    »So viel Sie wollen.« Ich klappte den Laptop zu und schwang die Füße vom Tisch.
    »Die Ergebnisse der Spurensicherung und der vorläufige Bericht von der Obduktion.« Balke sank auf einen Stuhl und breitete seine Papiere vor mir aus.
    »Der Tote hat zwischen zwei und vier Wochen dort gelegen. Genauer wird man das wohl nicht mehr feststellen können. Der Ort, wo wir ihn gefunden haben, ist definitiv nicht der Tatort. Möglich, dass er sich aus eigener Kraft dort hingeschleppt hat. So ähnlich wie das Wildschwein, von dem der Hausbesitzer erzählt hat. Ein Stück weiter oben führt die Straße nach Wilhelmsfeld vorbei. Er könnte von dort gekommen sein und wollte vielleicht Hilfe suchen. Aber er hat’s nicht geschafft.«
    »Sie denken an einen Verkehrsunfall? Ist er von einem Auto angefahren
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