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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber
Autoren: Wolfgang Burger
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den Kopf auf die Fäuste. Zwei kleine Samenkörner und zwei kleine Streichholzschachteln. Kein Mensch hatte irgendwas beobachtet, niemand vermisste das Opfer. Das konnte heiter werden.
    »Sagten Sie nicht irgendwas von Federn?«, fragte ich schließlich, weil mir partout nichts Kluges einfallen wollte.
    »Das Labor versucht, den Vogel zu bestimmen, von dem sie stammen. Aber sie haben wenig Erfahrung mit Vögeln, sagen sie. Sie müssen externe Fachleute hinzuziehen.«
    »Wer trägt denn um Himmels willen Federn mit sich herum?«
    »Vielleicht ein Ornithologe?« Balkes Grinsen wurde breiter. »Geflügelzüchter? Der Inhaber einer Hähnchenbraterei?«
    »Kennen Sie diese Susibar?«
    »Das wäre zu viel gesagt. Das Lokal liegt in der Kramergasse, so viel weiß ich, und die Inhaberin heißt wirklich Susi. Susanne. Sie macht erst abends auf.«

6
    Manchmal bilde ich mir ein, schon am Ton des Telefons zu hören, dass es Ärger gibt. Neunzehn Minuten nachdem Balke mein Büro verlassen hatte stand ich außer Atem im dritten Stock des Uniklinikums.
    Die Schwester, mit der ich sprach, war die sommersprossige Rothaarige von gestern. Heute trug sie allerdings nicht ihre weiße Dienstkleidung, sondern war in Zivil. Schwarze, enge Jeans, ein freizügiges Top und hohe, azurblaue Schuhe.
    »Ziemlich groß ist er gewesen«, erklärte sie aufgeregt und fuchtelte sinnlos mit beiden Händen. »Und ziemlich dumm geguckt hat er.«
    »Gibt es irgendwo im Haus Überwachungskameras?«
    Mit einer Miene, als wäre es ihr Versäumnis, schüttelte sie den Kopf.
    »Unten im Eingang hängt eine. Aber die ist seit Ewigkeiten kaputt.«
    »Und Sie sind sicher, dass der Mann in Zimmer 312 wollte?«
    »Wollte? Er ist ja schon drin gewesen!«
    »Können wir uns irgendwo setzen?«
    Mir war ein wenig schwindlig von den Treppen, die ich eben hinaufgehastet war. Heute Abend musste ich unbedingt mein Fahrrad wieder aktivieren. Den Fahrstuhl hatte ich nicht aus sportlichem Ehrgeiz gemieden, sondern weil alle belegt gewesen waren.
    »Hinten im Dienstzimmer.«
    Sie ging vor mir her den Flur entlang. Ein Pulk weiß gekleideter Menschen quoll aus einer der Türen, zehn oder zwölf Personen, und wir mussten uns an die Wand drücken, um sie vorbeizulassen. Vormittag, Zeit für die Visite. Der Älteste, vermutlich der Chefarzt, nickte mir zerstreut zu, und für einen Moment erwartete ich seine Frage, wie es uns denn heute Morgen gehe. Ein Assistenzarzt riss devot die nächste Tür auf, und dann waren sie wieder verschwunden.
    Wir nahmen auf bequemen Stühlen an einem runden Tischchen Platz, über das eine fürchterlich bunte Kunststoffdecke gebreitet war. Es stank nach angebranntem Kaffee und Desinfektionsmittel. Ein PC summte, zwei kleine Schreibtische waren mit Unterlagen übersät. Ein altertümlicher schwarzer Drehständer trug mindestens doppelt so viele Stempel wie der auf Sönnchens Schreibtisch.
    »Sie sagten, es war kurz nach sechs …«
    »Genau. Wir hatten gerade Übergabebesprechung. Da trifft sich die Nachtschicht mit der Frühschicht, hier, in diesem Raum, und es wird erzählt, was in der Nacht so los war. Eigentlich wäre ich nämlich längst nicht mehr da.« Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Und da hab ich … Also, erst hab ich eigentlich nur gesehen, dass da wer vorbeiging. Erst dachte ich, da hat sich wieder mal einer verlaufen. Das kommt hier ja öfter vor. Aber dann hab ich gesehen, wie er die Tür von 312 aufmacht. So ganz sachte, als sollte es keiner hören. Das ist mir ein bisschen spanisch vorgekommen. Und dann hab ich gedacht, guckst du doch mal, was da los ist.«
    »Warum haben Sie eigentlich erst jetzt angerufen, wenn der Mann schon um sechs hier war?«
    Sie wandte den Blick ab. »Mir ist erst später eingefallen, dass Sie wissen wollten, ob sich jemand nach der Frau erkundigt hat. Da war ich längst daheim, und dann bin ich so erschrocken und … hab ich jetzt etwa einen Fehler gemacht?« Verstört sah sie mir ins Gesicht.
    »Kein Problem. Ich bin ja froh, dass Sie sich überhaupt gemeldet haben.«
    »Meinen Sie, der wollte die Frau umbringen? Mit dem Kissen ersticken, oder so?« Sie hatte große, seegrüne Augen. »War das vielleicht der Kerl, der’s schon mal probiert hat bei ihr?«
    »Wir können es nicht ausschließen.« Ich zückte Notizblock und Kuli. »Der Mann war also groß und kräftig, sagten Sie.«
    »Möcht man nicht im Dunkeln treffen, so einen. Ich würde schätzen, so groß wie Sie, wenn nicht noch größer. Und
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