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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber
Autoren: Wolfgang Burger
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starken Kaffee.
    Runkel erwartete mich niedergeschlagen in meinem Büro.
    Mit seinen Telefonrecherchen war er bisher nicht weit gekommen, eröffnete er mir.
    »Das sind ja über dreihundert Anrufe gewesen an dem Vormittag! Und bei mindestens zwanzig war die Nummer unterdrückt. Die lasse ich natürlich alle zurückverfolgen. Aber wie lang das dauert, wissen Sie ja selber. Fünf sind tatsächlich von einer Zelle aus geführt worden.«
    Ich verzichtete auf den Hinweis, dass uns eigentlich nur Anrufe zwischen acht und Viertel nach acht interessierten.
    »Und weiter?«, seufzte ich.
    Hilflos zeigte er mir im Stadtplan, wo die Telefonzellen standen.
    »Ob wir da vielleicht Fingerabdrücke finden?«
    »Nachdem hundert andere den Hörer angefasst haben?«
    Er schwieg einige Sekunden und dachte über meinen Einwand nach.
    »Vielleicht gibt’s Zeugen, die ihn beim Telefonieren beobachtet haben?«, schlug er dann vor. »Wir könnten Plakate aufhängen, Handzettel verteilen. Oder an allen Haustüren in der Gegend läuten.«
    »Wissen Sie was?«, sagte ich leutselig und setzte mich endlich auf meinen Sessel. »Lassen Sie das vielleicht erst mal. Ich habe einen anderen Job für Sie.«
    Runkel sah mich an wie ein Ministrant den Herrn Pfarrer. Ich eröffnete ihm, dass er bis auf Weiteres rund um die Uhr Zimmer 312 in der Neurologie der Uniklinik bewachen würde. Für den Fall, dass der Täter es ein drittes Mal versuchen sollte.
    Ich griff zum Telefon. Der diensthabende Stationsarzt war alles andere als begeistert von meinem Vorschlag, ein Krankenzimmer vorläufig leer stehen zu lassen, gab sich aber schließlich geschlagen.
    »Für einen oder zwei Tage wird es gehen«, meinte er. »Aber falls wir das Zimmer plötzlich brauchen …«
    Ich musste ihm versprechen, dass meine Leute den Betrieb nicht mehr als unbedingt nötig behindern und keine Uniformen tragen würden.
    »Lassen Sie sich zur Verstärkung zwei Leute von der Schutzpolizei zuteilen«, sagte ich zu Runkel, als ich aufgelegt hatte.
    »Rund um die Uhr?«, fragte er unglücklich. »Also praktisch Tag und Nacht?«
    »Es ist ja nicht für lange. Wenn er es wieder versucht, dann wird er es bald tun. Er steht jetzt unter Zeitdruck.«
    Am Ende wirkte Runkel plötzlich doch ganz zufrieden mit seiner neuen Aufgabe.
    »Die haben da doch bestimmt Klimaanlagen?«, war seine letzte Frage, bevor er sich ans Werk machte.

7
    Ich hatte mir die Inhaberin der Susibar als eine etwas in die Jahre gekommene Frau mit rauer Stimme und diesem handgreiflichen Charme vorgestellt, den manche Damen im Gastgewerbe gerne an den Tag legen. In Wirklichkeit war sie zehn Jahre jünger als ich, schlank, schwarzhaarig und hatte kluge, flinke Augen. Zudem war Susi promovierte Ethnologin, wie sie mir schon im dritten Satz offenbarte.
    »Hier, in dieser kleinen Bar, habe ich mir mein Studium verdient. Kurz bevor ich fertig war, musste Babs den Laden dann aufgeben wegen ihrer Wirbelsäule. Die Ablöse war nicht so teuer, und Stellen für Ethnologinnen findet man ja nicht an jeder Ecke.«
    Sie stellte ein Glas Durbacher Spätburgunder Weißherbst vor mich hin und schenkte mir ein offenes Lächeln. Das Glas war leicht beschlagen, langstielig und von ausgesucht eleganter Form. Der Wein war gut.
    »Und schließlich ist eine Bar ja auch so eine Art ethnologisches Labor«, meinte sie mit unbekümmertem Lachen und wandte sich einem anderen Gast zu, einem jungen Mann mit zahllosen Pickeln im Gesicht, der ganz am Ende der Theke stand und offenbar nicht zum ersten Mal hier war.
    Es war noch nicht einmal elf, und das Lokal war noch fast leer. Susis private Forschungsstelle war keine dieser schmierigen Bars, die man erst nach Einbruch der Dämmerung betreten darf, weil einen bei Tageslicht sofort das Grauen überfällt. Hier blitzte alles vor Sauberkeit, die Lüftung funktionierte perfekt, und das noch spärliche Publikum rekrutierte sich offenbar aus Angestellten der Universität, Redakteuren der Rhein-Neckar-Zeitung sowie Yuppies aus den umliegenden Büros bei einem späten Feierabend-Cocktail.
    Susis helles Lachen allein dürfte für manchen Gast Grund gewesen sein, hier Stammkunde zu werden. Ihr Lokal war schlicht und modern eingerichtet, mit geraden Linien, viel dunklem Holz und matt poliertem Stahl. Unzählige winzige Halogenstrahler sorgten für gedämpftes Licht. Aus verborgenen Lautsprecherboxen plätscherte ein Bossanova mit Stan Getz und Laurindo Almeida. Ich war mir sicher, dass sich dieselbe Platte in meiner
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