Schwarzes Fieber
Waren wurden angeliefert, Medikamente, Unmengen von Lebensmitteln, tonnenweise frische Wäsche wurde gebracht und gebrauchte abgeholt.
Ein melodischer Gong ertönte, die Lifttüren öffneten sich leise zischend. Innen hatte jemand verbotenerweise geraucht.
»In dem Trubel da unten fällt das nicht auf, wenn einer durch irgendeine Tür kommt«, meinte Balke.
Die Zeuginnen waren damit beschäftigt, schmutzige Wäsche in verschiedene Säcke zu sortieren und diese auf Handwagen zu packen.
»Ja, dieser Typ im dunklen Anzug«, sagte die eine, eine bullige Frau mit derbem Gesicht und plattem Mannheimer Dialekt. Inzwischen hörte auch ich die feinen Unterschiede zwischen den Mannheimern und den Heidelbergern. »Hab mir gleich gedacht, dass mit dem was nicht stimmt.«
Ihre Kollegin war deutlich jünger und hübscher und strich sich kokett die blonden Locken aus dem von der Anstrengung geröteten Gesicht.
»Also, ich hab ja gemeint, das ist einer von den Bestattern.«
Die Mannheimerin hatte nur Augen für Balke.
»Ja, genau«, sagte sie strahlend zum Objekt ihrer Begierde und zwinkerte ihm zu. »Die kommen nämlich immer frühmorgens und holen die Leichen.«
Die andere schlug die Augen nieder. »Stimmt. Da holen sie die Leichen von der Nacht«, bestätigte sie mit wohligem Beben in der Stimme. »Aber die kommen sonst immer zu zweit.«
Die Mannheimerin wies mit großer Geste irgendwohin, ohne den Blick von meinem armen Untergebenen zu wenden. »Da hinten ist er reingekommen, hat sich nicht umgeguckt, keinen gegrüßt, und ist hier vorbei, in Richtung Treppe!«
Balke machte sich eifrig Notizen und ignorierte das Interesse seiner unfreiwilligen Eroberung so gut es ging.
»Wenn die Bestatter kommen«, grübelte die Blonde, »haben sie eigentlich immer diese Blechdinger dabei. Da tun sie dann die Leichen rein.«
Eigentlich hatten die beiden den Mann nur von hinten gesehen, stellte sich heraus. Die Mannheimerin konnte immerhin eine ungefähre Beschreibung geben, und die passte recht gut zur Aussage der Krankenschwester. Groß, kräftig, auffallend kurz geschnittenes Haar auf einem runden Kopf, dunkler Anzug, notierte Balke.
Doktor Kümmel, den Arzt, mit dem ich gestern Abend telefoniert hatte, fanden wir nach längerem Suchen und Herumfragen in einem Besprechungszimmer im Erdgeschoss, wo er mit Kollegen über Krankenblätter gebeugt gestikulierte. Nur widerstrebend ließ er sich vor die Tür bitten.
»Hm.« Er rieb sich die lange und ein wenig krumme Nase. »Ist ja nun schon ein Weilchen her, und wenn man von morgens bis abends mit irgendwelchen Leuten redet … Aber doch, ich könnte mir schon einbilden, dass der Mann am Telefon eine eher leise Stimme hatte.« Plötzlich schüttelte er den Kopf und griff sich an die Stirn. »Nein. Quatsch. Wenn Sie mich gefragt hätten, ob er gebrüllt hat, dann hätte ich mich vermutlich daran erinnert, dass er eine unglaublich laute Stimme hatte.«
Nur wenige Zeugen sind zu so viel Selbstkritik in der Lage.
»Geht es der Patientin inzwischen schon wieder so gut, dass man sie in ein anderes Krankenhaus verlegen könnte?«
Der Arzt nickte. »Kein Problem. Sie ist stabil.«
»Können Sie mir eines empfehlen? Eines, das nicht allzu weit von der Polizeidirektion entfernt liegt?«
»Das Sankt Josef«, meinte er mit einem nervösen Blick über die Schulter auf die Ärztegruppe, die im Raum hinter seinem Rücken eifrig diskutierte. »Nehmen Sie das Sankt Josef.«
»Dieser Anzugtyp …« Balke ließ den Motor an und kurvte vorsichtig aus der engen Parklücke. »Das kann ja im Grunde nur eines bedeuten …«
»Bisher ist es nur ein Verdacht, dass er der Frau etwas antun wollte. Er hat sie ja nicht mal berührt.«
»Aber falls er was vorhatte, dann wird er es wieder probieren. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass er ihr nur Guten Tag sagen wollte, morgens um sechs. Und warum hätte er sich dann durch den Keller reingeschlichen? Er weiß, dass sie überlebt hat. Gestern hat in der Zeitung gestanden, dass es ihr besser geht. Wenn sie redet, ist er geliefert. Da hat er sich gedacht, was beim ersten Versuch schiefgegangen ist, klappt vielleicht beim zweiten Mal.«
»Sie wird noch heute Vormittag verlegt. Doktor Kümmel hat mir versprochen, dass so wenige Personen wie möglich erfahren werden, wohin.«
Balke fädelte sich in den dichten Verkehr auf der Berliner Straße ein. Die Uhr am Turm der Sankt-Albertus-Kirche zeigte fünf nach halb zehn. Ich hatte Sehnsucht nach einem
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