Schwarzes Fieber
Feuer gestürzt in der Gewissheit, unverwundbar zu sein.«
»Aber das ist ja …«
»Mittelalter, richtig. Dieser allgegenwärtige Aberglaube schadet Afrika mindestens so sehr wie die dreimal verfluchte Korruption. Wozu arbeiten, wo ich doch einen Zauber besitze, der mir auch ohne Anstrengung ein glückliches Leben verschafft, wenn ich nur lange genug warte? Wozu sich rühren, wo ich doch weiß, dass mein fieser Nachbar mich verhext hat und ich es sowieso nie zu irgendwas bringen werde? Allein vom Zugucken kann man wahnsinnig werden, glauben Sie mir. Diese Irren hier führen Kriege mit den Waffen des zwanzigsten Jahrhunderts, Strategien aus dem dreißigjährigen Krieg und einem Weltbild im Kopf, das direkt aus der Steinzeit stammt.«
»Und angestachelt und aufgerüstet von hoch entwickelten Ländern, die ihre eigenen Interessen verfolgen.«
»Natürlich. Vor zwanzig Jahren waren es noch Russland und Amerika, die sich von Kuba und Südafrika vertreten ließen. Und demnächst werden es nun wohl die Chinesen sein. Man darf gespannt sein, wer sonst noch mitmischen möchte.«
»Das klingt nicht gerade optimistisch.«
»Optimistisch?« Hecker lachte trocken. »Wussten Sie, dass es inzwischen Schwarze gibt, und es sind nicht mal die dümmsten, die sich allen Ernstes den Kolonialismus zurückwünschen? Mit jedem Regimewechsel, mit jeder neuen Revolution geht’s den Leuten hier immer noch ein bisschen dreckiger als vorher. Es ist – verzeihen Sie das Wort – es ist zum Kotzen. Ich hoffe nur, ich werde bald versetzt.«
Der befürchtete Anruf von Frau Doktor Steinbeißer kam um halb zehn. Offenbar hatte sie es schon mehrfach versucht, während ich mit Angola telefonierte, und war entsprechend ungehalten. Die Journaille rannte ihr die Bude ein, weshalb sie in einer halben Stunde eine Pressekonferenz geben würde. Ihre Bitte um meine Anwesenheit war ein Befehl.
»Wir sind der Bevölkerung Aufklärung schuldig, Herr Gerlach«, dozierte sie. »Wenn wir uns nicht äußern, dann werden die Schlagzeilen morgen noch verrückter sein als die von heute.«
»Und das wollen wir natürlich unter allen Umständen vermeiden«, sagte ich artig.
»Wie sehen uns dann also um zehn. Im Gegensatz zu Ihrem Konferenzraum ist der unsere klimatisiert.«
Hin und wieder fiel mir auf, dass die Leiterin der Staatsanwaltschaft manchmal über etwas wie Humor verfügte. Ich war mir bei ihr jedoch nie ganz sicher, ob man lachen durfte oder nicht.
Ich entwarf eine knappe Erklärung, die die Situation nicht verharmloste, aber auch nicht dramatisierte. Den Zusammenhang zwischen Nunda, Frau de Santos und dem gedungenen Mörder würde ich vorerst verschweigen. Es war besser, wenn der Auftraggeber im Hintergrund nicht erfuhr, wie viel oder wenig wir wussten.
Die Heidelberger Staatsanwaltschaft lag ungefähr auf halbem Weg zum Sankt-Josefs-Krankenhaus. So beschloss ich nach der Pressekonferenz, über deren Andrang manches Kino jetzt im Sommer glücklich gewesen wäre, noch einmal Frau de Santos zu besuchen. Vielleicht hatte sie ja durch den gestrigen Schrecken die Sprache wiedergefunden.
Heute war sie wach. Als ich das Zimmer betrat, sah sie mir aufmerksam und nicht unfreundlich entgegen. Keine Regung in ihrem Gesicht verriet jedoch, ob sie mich wiedererkannte. Ob sie wusste, dass ich es war, der ihr gestern das Leben gerettet hatte.
»Hello Mrs de Santos«, sagte ich und lächelte. »How are you today?«
Ruckartig wandte sie den Kopf zur Decke und schloss die Augen. Wie es kleine Kinder manchmal tun, wenn sie sich unsichtbar machen wollen. Obwohl sie keine Miene verzog, war ich mir diesmal sicher, dass sie mich verstanden hatte.
Ich zog einen Stuhl heran und gönnte ihr keine Zeit zum Nachdenken.
»Do you like Huambo? Is it a nice place?«
Natürlich war der zweite Teil meiner Frage eine reine Provokation. Eine Stadt mitten in Angola, deren Einwohnerzahl sich irgendwo zwischen zweihunderttausend und einer Million bewegte, so genau wusste das niemand, konnte kein netter Ort zum Leben sein. Dort war mancher abends zufrieden, wenn die Kinder gegessen hatten, wenn kein Familienangehöriger erschossen wurde und das, was er sein Haus nannte, noch stand.
Aber diese Frau hatte sich verteufelt gut in der Hand. Dabei hätte sie doch wenigstens überrascht sein müssen, dass ich plötzlich ihren Namen wusste und ihren Wohnort.
Nun saß ich da und sah sie an und fühlte mich wieder einmal dumm. Ich verstand nichts. Was, um Himmels willen, hatte
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