Schwarzes Gold Roman
gleich, und man
veranstaltete auf der Hochzeit von Georg Spennings Tochter keine Szene –
jedenfalls nicht, bevor der Cognac auf dem Tisch stand.
»Ich bin Jurist«, sagte Huitfeldt. »Aber das ist
unwesentlich. Wesentlich hingegen ist, dass ich einen Teil der Wertpapiere
halte – leider nicht alle. Als Sara Augustas Mutter 1963 starb, wurde der
Fonds im Namen von Georgs drei Töchtern gestiftet: Sara Augusta aus erster
Ehe, Emma Otilie, die in New York lebt, und Bette Line, die heute heiraten
wird, richtig?«
»Ich bin schon vor langer Zeit bei Spenning
ausgestiegen.«
»Trotzdem sind Sie der richtige Mann, aber darüber können
wir morgen sprechen. Gleich kommt Georg mit der Braut, dann ist für dieses
Gespräch keine Zeit mehr.«
»Wie gesagt, ich bin raus bei Spenning – und ich verspüre
nicht das geringste Bedürfnis, weiter …«
»Hören Sie mich an, Lindeman. Bei der Einrichtung hielt der
Tochterfonds mehr als die Hälfte des Kapitals von Spenning & Co – mit
einem notierten Wert von etwas unter zehn Millionen. Derselbe Fonds hat heute,
zehn Jahre später, exakt denselben Wert, während Spenning & Co ein
notiertes Eigenkapital von vielen hundert Millionen hat. Niemand, außer
vielleicht Georg selbst und Ihnen, weiß, was Spenning & Co wirklich wert
ist. Es ist sensationell, dass der Fonds sich nicht entwickelt hat. Absolut
nichts spricht für ein solches Verhalten. Alle Fakten besagen das Gegenteil:
Der Fonds sollte mit zehnfachem Wert notiert sein – mindestens. Sicher sind
Sie über die Fehde zwischen meiner Frau und ihrem Vater im Bilde. Na ja,
möglicherweise kennen Sie die Ursachen nicht. Aber genau davon spreche ich:
Meine Frau, die also ein Drittel des Fonds hält, ist davon überzeugt, dass
ihr Vater sie betrogen hat. Dass er ihr Erbe systematisch angezapft hat. Über
fast zehn Jahre habe ich versucht, sie zu beruhigen. Aber das will ich jetzt
nicht mehr tun. Ich habe nämlich mit eigenen Augen gelesen, wie Spenning die
fehlende Wertsteigerung der Fondspapiere erklärt.«
Jetzt schwieg Vebjørn. Aufmerksam starrte er dem Anwalt in
die Augen.
»Wir beide kennen Spennings großes Projekt. Aber darauf
können wir später zurückkommen. Wir wissen beide, dass es Mittel gibt; dass
der Fonds angezapft wurde. Sara Augusta weiß, dass sie von ihrem eigenen Vater
über den Tisch gezogen worden ist, außerdem weiß sie, dass Sie – als sein
persönlicher Berater in der Zeit, bevor und während der Fonds eingerichtet
wurde – am besten wissen, wie die Unterschlagungen von statten gegangen
sind.«
»Warum sollte ich …?«
»Nehmen wir die Kurzversion, Lindeman,
cutting the
crap
, wie man auf der anderen Seite des großen Teichs sagt: Sie sind
nicht mehr Georgs Handlanger. Ich möchte Sie schlicht und einfach auf meiner
Seite haben. Genauer gesagt: Ich will Sie auf Sara Augustas Seite haben. Sie
ist der Ansicht, dass Sie über ausreichend Rückgrat verfügen, um für die
Wahrheit zu kämpfen. Realistisch gesehen geht es doch nur um einen gewissen
Informationsbedarf. Sie könnten sich darauf vorbereiten, alles zu erzählen,
was Sie wissen.«
»Worüber denn ganz konkret?«
»Sie wissen, was vorgefallen ist. Sie wissen, wie Sara
Augustas Vater den Fonds geschröpft hat. Er hat das Erbe seiner Tochter
gestohlen.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, sagte Vebjørn
steif. »Ein solches Treffen wäre vollkommen sinnlos.«
Kaum waren die Worte ausgesprochen, sah er die Enttäuschung
in den Augen seines Gegenübers. Doch er las noch etwas anderes in seinem
Blick: Es spielte keine Rolle, was er sagte. Dieser Mann würde bis zum Letzten
gehen.
Georg Spenning war immer noch zu Hause in Eiksmarka. Es war
ein Mehrgenerationenhaus. Von dem viertausend Quadratmeter großen Grundstück
waren zwei Einheiten abgeteilt worden, und im Neubau hatte Bette Line allein
gewohnt, bis vor einigen Monaten ihr zukünftiger Ehemann eingezogen war. Jetzt
wartete Georg Spenning darauf, dass seine Tochter fertig wurde, damit man sie
in seinem Wagen zur Kapelle fahren konnte. Hektik und Unruhe hatten in den
vergangenen Stunden im Haus des Reeders geherrscht. Aber die Armee nervöser
Verwandter, Freunde und Freundinnen, freiwilliger Helfer und sonstiger Leute,
die einfach mal vorbeischauten, hatte endlich die Villa verlassen, um die
Kirchenbänke zu besetzen. Die Ruhe war ein Segen. In wenigen Minuten würde
Bette Line heiraten, und der Reeder spürte, wie ein
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