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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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sabotiert. Draufgängerisch. Töricht und aufreizend, aber draufgängerisch.
    »Der Bewerber hat gemogelt«, sagte sie. »Er hat das Seil hinausgeworfen. Ich habe es ihm wieder in die Hand gelegt.«
    »Es ist Euch verboten, während der Prüfung den Bittsteller zu berühren. Gibt es irgendetwas an dieser Regel, das unklar ist?«
    »Ich habe ihn nicht berührt … Ich bitte um Verzeihung, Hoher Luxlord Prisma, ich habe ihm das Seil in die Hand zurückgelegt, ohne seine Haut zu berühren. Ich habe versucht, die Integrität der Prüfung zu wahren.«
    »Malargos«, erwiderte Gavin. »Ihr seid Ruthgari, richtig?«
    »Ja, Lord Prisma.«
    Gavin sah sie ausdruckslos an. »Als Euer Gesegneter Satrap Rados den Großen Fluss überquerte, um gegen die Blutwäldler zu kämpfen, denen er im Verhältnis von eins zu zwei unterlegen war, erinnert Ihr Euch daran, was er getan hat?«
    »Er hat die Rozanos-Brücke hinter seiner Armee verbrannt«, sagte sie.
    »War das gemogelt?«
    »Ich … ich kann Euch nicht folgen«, sagte sie.
    »Er hat die Brücke verbrannt, damit seine Männer wussten, dass sie nicht fliehen konnten. Er hat ihnen keinen Ausweg gelassen. Bis auf den letzten Mann wusste ein jeder, dass er siegen oder sterben musste. Aus diesem Ereignis ist der Ausdruck ›Alle Brücken hinter sich verbrennen‹ entstanden.«
    »Aber ich habe ihn nach dem Seil greifen sehen«, beklagte sie sich schwach. Sie schluckte, plötzlich verängstigt von dem Umstand, dass sie dem Prisma ins Gesicht widersprochen hatte.
    »Und Ihr habt es ihm zurückgegeben.«
    »Natürlich.«
    »Also hättet Ihr hinter dem Gesegneten Satrap Rados eine neue Brücke erbaut?«
    »Natürlich nicht, das wäre …«
    »Und ihn zum Untergang verurteilt. Wie lange habt Ihr Euch gehalten, bevor Ihr an dem Seil gezogen habt?«, fragte Gavin.
    Sie errötete und wandte den Blick ab. »Siebzehn Sekunden.« Sie zog ihre Robe fester um sich und bedeckte sich endlich.
    »Und Ihr habt die Chancen eines jungen Mannes zerstört, die Prüfung zu bestehen.«
    »Wir können die Prüfung wiederholen …«, begann sie.
    »Ihr wisst, dass wir das nicht können. Sobald ein Bittsteller weiß, dass es nicht real ist, funktioniert die Mangel nicht mehr. Alle würden sagen, er habe eine Sonderbehandlung erhalten, weil er mein Neffe ist …«
    »Ich wollte nicht …«
    »Und Ihr wisst es!«, sagte Gavin, dem es nur mit Mühe gelang, die Stimme nicht zu erheben.
    »Es spielt keine Rolle, was Ihr wolltet«, zischte Mistress Varidos.
    Während die Mistress sprach, splittete Gavin etwas Ultraviolett von dem Licht der Fackeln ab. Nur ein klein wenig. Das Schöne an Ultraviolett war seine Unsichtbarkeit. Obwohl sich mindestens ein halbes Dutzend Menschen in diesem Raum aufhielten, die ultraviolettes Luxin sehen konnten, wenn sie die Augen zusammenkniffen, hätte Gavin gewettet, dass keine der Frauen in eben diesem Moment die Augen zusammenkniff. Und selbst wenn eine von ihnen es tat – was Gavin vorhatte, war so klein und ging so schnell, dass sogar jemand, der hinschaute, es vielleicht übersehen würde. Ein magischer Taschenspielertrick. Das Ultraviolett sammelte sich in seinen Fingerspitzen.
    »Ihr habt die Regeln gebrochen, Tisis«, erklärte die Mistress. »Ihr habt Eure Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt, und Ihr habt möglicherweise die Zukunft eines jungen Mannes zerstört.«
    »Aber niemand besteht!«, prostestierte die junge Frau. Es war zu einem Symbol des Stolzes geworden, einfach lange Zeit durchzuhalten. Verschwörungen, die dunklen, engen Räume, große Höhen, Spinnen, Schlangen, Ratten – die Mangel berührte fast alle der häufigsten Ängste. Im Allgemeinen wandelten die Bewerber – im Glauben, dass ein Scheitern bedeutete, alles zu verlieren, und mit vor Furcht geweiteten Augen – sämtliche Farben, derer sie mächtig waren, bevor sie an dem Seil zogen. Es war natürlich nicht perfekt, aber es war die beste Prüfung, die sie hatten.
    »Geht mir aus den Augen«, sagte Gavin.
    Sie ging wutschnaubend zwischen Gavin und der Mistress hindurch, genau wie Gavin es geplant hatte. Er nahm einen Steinzylinder aus seiner Tasche, hielt ihn hinter dem Handgelenk, zog das schwarze, golddurchwirkte Tuch vom Loch weg, schnippte unsichtbares Ultraviolett von den Fingerspitzen und benutzte es, um den Prüfstein aus seinem Loch zu ziehen. Dann ließ er das Luxin zurück zu seinem Handgelenk schnellen, band den Prüfstein mit Bändern aus Ultraviolett an seinen Unterarm und

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