Schwarzes Prisma
immer du ihm befiehlst.«
»Aber das Spektrum …«
»Kann gelegentlich ignoriert werden. Es ist nicht so einfach, sich eines Prismas zu entledigen, musst du wissen. Wenn du zurückkehrst, werden wir über deine Heirat sprechen. Es wird Zeit, dass du anfängst, Erben zu produzieren. Dass du mit einem Bastard aufgetaucht bist, macht das Thema nur umso dringender.«
»Vater, ich werde nicht …«
»Wenn du einen der Satrapen vernichtest, selbst einen rebellischen, wirst du einen der anderen kaufen müssen. Es wird Zeit. Du wirst mir in dieser Angelegenheit gehorchen. Über das Bastardproblem sprechen wir später.«
48
Liv war zum Nachdenken in den Lichtgarten oben im gelben Turm gegangen, aber es schien, als könne sie sich keine zehn Schritte bewegen, ohne über irgendein junges Paar zu stolpern, das sich küsste. Während die Sonne versank, wurde der Lichtgarten spektakulär – und zu einem Lieblingsplatz für Paare. Liv hätte sich daran erinnern sollen. Der Anblick junger Liebender in einem Moment, da sie sich selbst so isoliert fühlte, war besonders entnervend.
Sie verließ den Garten; ihre Gefühle waren in wildem Aufruhr, und es tat ihr leid, dass sie so grob zu Kip gewesen war. Außerdem war sie sicher, dass sie recht gehabt hatte und ihr Vater noch lebte, während sie gleichzeitig Todesängste ausstand, sie könne sich irren. Einsam, voller Angst vor der Zukunft und jetzt – nachdem ihr um die Ohren gehauen worden war, wie einfach es für alle anderen Mädchen zu sein schien, jemanden zu finden, der sie mochte – voller Sehnsucht nach einem Jungen. Irgendeinem Jungen. Liv war seit drei Jahren in der Chromeria, und sie war einige Male bestenfalls nahe daran gewesen, eine Beziehung aufzubauen. Weil sie Tyreanerin war, die Tochter eines Generals der Verliererseite und außerdem arm, hatten die meisten Jungen das Interesse verloren, bevor es überhaupt aufgeflammt war. Der einzige Junge, von dem sie gedacht hatte, er möge sie wirklich, hatte sie zum Ball der Luxlords eingeladen und sie dann versetzt, um mit einem anderen Mädchen hinzugehen. Anscheinend war es ein Streich gewesen. Im nächsten Jahr war sie für kurze Zeit zum Gegenstand eines Wettstreits zwischen einigen der beliebtesten Jungen geworden. Zwei Wochen lang war es herrlich gewesen, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Sie hatte das Gefühl gehabt, endlich einen Durchbruch erzielt zu haben, dass die Menschen sie endlich akzeptiert hatten. Einer der Jungen lud sie zum Ball der Luxlords ein.
Dann bekam sie mit, wie einer der anderen über eine Wette sprach, die sie abgeschlossen hatten, um festzustellen, wer sie als Erster rumkriegen würde. Ihre Rache war schnell und schrecklich gewesen. Sie hatte dem Jungen, der sie zum Ball begleitete – dem Anführer der Gruppe, einem jungen Adligen namens Parshan Payam –, ihre Jungfräulichkeit versprochen, wenn er ihr half, einen ihrer ungezogenen Träume wahrzumachen. Er hatte praktisch gesabbert.
Auf dem Ball der Luxlords hatten sie sich in einer verdunkelten Nische gleich neben der Haupthalle getroffen. Sie hatte Parshan überredet, zuerst alle Kleider abzulegen, obwohl nur wenige Schritt entfernt praktisch die gesamte Chromeria tanzte, redete und trank. Dann hatte sie aufgehört, ihn zu küssen, während seine abscheulichen Hände über ihren Körper gewandert waren, und gefragt, wie viel er gewinnen würde, wenn er als Sieger aus dem Wettbewerb hervorging.
»Du weißt Bescheid? Du bist nicht wütend?«, fragte er.
»Warum sollte ich wütend sein?«, fragte sie zurück. »Schließ die Augen. Ich habe eine Überraschung für dich.«
»Eine gute Überraschung?«, wollte er wissen.
Sie strich ihm mit den Fingernägeln über den Bauch. Schaute hinab. Leckte sich die Lippen. »Es wird dir den Atem verschlagen. Versprochen.«
Er schloss die Augen. Sie schnappte sich all seine Kleider und stürmte in den Ballsaal. Er kam mit einem schrillen Aufschrei hinter ihr her und rannte nackt in den Saal. »Das ist es, was du für deinen Wettbewerb bekommst, Parshan Payam!«, rief Liv, damit alle, die den nackten jungen Mann nicht sofort gesehen hatten, es bemerken und wissen würden, wer er war.
Die Tänzer hielten inne. Die Musikanten hörten auf zu spielen. Hundert Gespräche brachen ab. »Mit deinen Freunden zu wetten, wer meine Jungfräulichkeit gewinnt?! Du bist verachtenswert. Ein Schuft und ein Lügner. Du widerst mich an. Du bist nicht klug genug, um mich zu täuschen, du bist
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