Schwarzes Prisma
zu Boden gefallen waren. Aber sobald er aus dem Fluss stieg, würde er eine Fährte für die Hunde hinterlassen und eine sichtbare Spur von nassen Steinen für die Soldaten. Er durfte das Wasser nicht verlassen. Noch nicht. Er schaute zu den schwarzen Wolken empor.
Sitz nicht einfach da oben rum. Gib mir etwas Regen!
»Wo liegt das Problem? Was stimmt nicht mit ihnen?«, fragte der Soldat scharf.
»Es sind Kampfhunde, Herr, keine Spürhunde. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie auf der Fährte des Wandlers sind.«
Kip kämpfte sich noch einmal hundert Schritte weit stromaufwärts, wo der Fluss wieder gerade wurde und ein Baum das Ufer hinunter und ins Wasser gestürzt war. Es würde nicht helfen, was die Duftfährte betraf, aber es würde das Wasser verbergen, das von ihm herabtropfte. Er erklomm das Ufer und blieb dann stehen. Wenn er stromabwärts zurückging, würde er sich den Männern nähern, die ihn jagten. Aber die Bemerkung des Soldaten, dass noch andere Fährten existierten, hatte einen Funken verzweifelter Hoffnung in Kips Brust entflammt. Andere Fährten bedeuteten vielleicht andere frische Fährten. Und wenn die Hunde nicht gewesen wären, wäre die Höhle der sicherste Ort, um die Nacht dort zu verbringen.
Kip schluckte und wandte sich stromabwärts, der Höhle zu. Er glaubte, ein kühles Prickeln auf der Haut zu spüren. Regen? Er schaute zu den schwarzen Wolken auf, aber er musste es sich wohl eingebildet haben. Er kam zu der Stelle, von der aus man einen Blick auf den Eingang der Höhle hatte.
Zwei Soldaten standen beinahe direkt unter ihm. Zwei andere waren am gegenüberliegenden Ufer. Auf jeder Seite befand sich ein Kriegshund. Der Kopf eines jeden Hundes hätte Kip mühelos bis zur Schulter gereicht. Beide trugen Rüstungen aus beschlagenem Leder – wie es die Schlachtrosse trugen, nur ohne Sattel. Kip ließ sich zu Boden fallen.
»Herr, wenn ich darf?«, fragte einer der Männer. Nachdem er anscheinend die Erlaubnis bekommen hatte, erklärte er: »Der Wandler ist direkt zum Fluss gegangen und scharf stromaufwärts abgeschwenkt, bevor er ins Wasser gegangen ist. Er weiß, dass wir ihm folgen. Ich denke, er ist umgekehrt und hat sich stromabwärts gewandt.«
»Obwohl wir so dicht hinter ihm sind?«, fragte der Hauptmann.
»Er hat wahrscheinlich die Hunde gehört.«
Was Kip auf einen anderen Gedanken brachte: Auch der Wind konnte den Hunden seine Witterung zutragen. Kip schnürte es die Kehle zu. An den Wind hatte er überhaupt nicht gedacht. Er wehte von Südwest. Sein Weg hatte ihn nach Osten und dann nach Norden geführt, als der Fluss eine Biegung machte – die perfekte Richtung. Wenn er stromabwärts gegangen wäre, auf die Stadt zu, hätten die Hunde ihn sofort gerochen. Wenn der Hauptmann darüber nachdachte, würde er es gewiss ebenfalls begreifen.
»Es wird bald regnen. Wir haben vielleicht nur einen einzigen Versuch.« Der Hauptmann hielt inne. »Machen wir schnell.« Er pfiff und bedeutete den Männern auf der anderen Seite des Flusses, stromabwärts zu gehen. Sie liefen los.
Kips Herz begann wieder zu schlagen. Er glitt neben zwei großen Felsbrocken das Ufer hinunter. Zwischen den beiden Felsen befand sich eine schmale Lücke. Sie sah aus, als reiche sie etwa vier Schritte hinein und ende dort, aber Kip wusste, dass sie eine scharfe Biegung machte. Er hätte es beim ersten Mal gewiss nicht entdeckt, wäre ihm nicht der scharfe, unangenehm süße Geruch von Nebel entgegengeweht. Orholam allein wusste, wie seine Mutter sie gefunden hatte.
Jetzt, da er wusste, dass sie da war, brachte Kip beinahe nicht den Mut auf, sich zwischen diese Felsen zu schieben. Irgendetwas stimmte nicht. Es war nicht so dunkel, wie es sein sollte. Draußen war Nacht, und Kip blockierte den Eingang, also hatte jemand eine Laterne brennen lassen.
Kip erstarrte abermals, bis er hörte, dass das Gebell der Kriegshunde anschwoll. Sie hatten die Steine gefunden, die er über den Fluss geworfen hatte. Das bedeutete, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie seinen Betrug bemerkten. Die Dunkelheit und Enge waren erstickend. Er musste sich bewegen, in die eine oder andere Richtung.
Er schob sich um die Ecke und in den offenen Raum der Schmugglerhöhle. Zwei Gestalten saßen dort im schwachen Licht einer Laterne: Sanson und Kips Mutter. Beide waren blutüberströmt.
11
Kip konnte den Aufschrei nicht unterdrücken. Seine Mutter lehnte an der Wand der Höhle, ihr einst blaues Kleid schwarz und rot
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