Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
Vom Netzwerk:
gefärbt von getrocknetem und frischem Blut. Ihr dunkles Haar war verfilzt, dunkler als gewöhnlich und strähnig von Blut. Die rechte Seite ihres Gesichts war makellos, vollkommen. Alles Blut kam von der linken Seite ihres Kopfes, bewegte sich durch ihr Haar wie einen Docht hinunter und erblühte auf ihrem Kleid. Sanson saß neben ihr, die Augen geschlossen, den Kopf zurückgelehnt, die Kleider beinahe ebenso blutverschmiert.
    Bei Kips Aufschrei öffnete seine Mutter flatternd die Lider. An der Seite ihres Kopfes war eine gewaltige Delle. Orholam sei ihm gnädig, ihr Schädel war zerschmettert. Sie starrte einige Sekunden lang in seine Richtung, bevor sie ihn entdeckte. Ihre Augen boten ein grauenvolles Bild: Die Pupille ihres linken Auges war vergrößert, die des rechten ein winziger Nadelstich. Und das Weiß beider Augen war vollkommen blutunterlaufen. »Kip«, sagte sie. »Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal so glücklich darüber sein würde, dich zu sehen.«
    »Ich liebe dich auch, Mutter«, sagte er, um einen unbeschwerten Tonfall bemüht.
    »Meine Schuld«, erwiderte sie. Ihre Lider flatterten und schlossen sich.
    Kip schnürte sich das Herz zusammen. War sie tot? Vor dem heutigen Tag hatte er noch nie jemanden sterben sehen. Orholam, dies war seine Mutter! Er schaute Sanson an, der gesund aussah, trotz all des Bluts auf seiner Kleidung. »Ich habe es versucht, Kip. Die Alkaldesa wollte nicht zuhören. Ich habe ihr gesagt …«
    »Nicht einmal seine eigene Familie hat ihm geglaubt«, sagte Kips Mutter, die die Augen noch immer geschlossen hatte. »Selbst als die Soldaten seine Mutter niedergeritten und seinen Bruder zerstückelt hatten, stand Adan Marta da und erklärte, dass ein Satrap niemals einer eigenen Stadt etwas Derartiges antun würde. Nur Sanson ist davongelaufen. Wer hätte gedacht, dass er der kluge Kopf in dieser Familie war …«
    »Mutter! Genug!« Kips Stimme kam als ein kindisches Jammern heraus.
    »Aber du bist zurückgekommen, nicht wahr, Sanson? Hast versucht, mich zu retten, im Gegensatz zu meinem eigenen Sohn. Wirklich Pech, dass er nicht versucht hat, mir zu helfen, wie du versucht hast, deiner Familie zu helfen, sonst hätte ich vielleicht noch eine Chance.«
    Ihre Worte berührten einen tiefen Brunnen des Zorns. Machtvoll, aber unkontrollierbar. Er stieß den Zorn beiseite, stieß die Tränen zurück. »Mutter. Hör auf. Du stirbst.«
    »Sanson sagt, du seist jetzt ein Wandler. Komisch«, murmelte sie voller Bitterkeit. »Dein Leben lang bist du eine Enttäuschung, und heute lernst du zu wandeln. Zu spät für irgendeinen von uns.« Mit Mühe holte sie tief Luft, dann öffnete sie die Augen und richtete den Blick auf Kip, wobei sie eine Weile brauchte, bis sie ihn deutlich zu sehen schien. »Töte ihn, Kip. Töte den Bastard.« Sie hob einen schmalen Kasten aus Rosenholz auf, der so lang war wie Kips Unterarm und neben ihr auf dem Boden gelegen hatte. Kip hatte ihn noch nie gesehen.
    Er nahm die Schatulle entgegen und öffnete sie. Darin lag ein Dolch mit doppelter Schneide aus einem seltsamen Material, grellweiß wie Elfenbein mit einem schwarzen Faden, der sich durch die Mitte bis zur Spitze wand. Der Dolch wies keinen weiteren Schmuck auf als sieben Diamanten, die in die Klinge selbst eingelassen waren. Es war das Schönste, was Kip je gesehen hatte, und es kümmerte ihn nicht. Er hatte keine Ahnung, was die Klinge wert war, aber die Schatulle, in der er gelegen hatte, hätte allein ausgereicht, um die Sucht seiner Mutter einen ganzen Monat lang zu befriedigen. »Mutter, was ist das?«
    »Und ich dachte, Sanson sei schwer von Begriff«, sagte sie, hart, höhnisch, sterbend, angstvoll. »Ramm ihn in sein verrottetes Herz. Lass diesen Bastard leiden. Lass ihn dafür bezahlen.«
    »Mutter, was redest du da?«, fragte Kip verzweifelt. Er sollte König Garadul töten?
    Sie lachte, und die Bewegung ließ eine frische Welle von Blut über ihren Kopf fließen. »Du bist ein sehr, sehr dummer Junge, Kip. Aber vielleicht kann ein stumpfes Schwert an einen Ort gelangen, an dem man ein scharfes nicht zulassen würde.« Der Kopf wackelte hin und her. Ihre Atmung war jetzt gequält. Ihr Kopf sank ihr auf die Brust, und Kip glaubte, sie sei tot, aber sie öffnete noch einmal die Augen, wobei nur eines sich auf ihn richtete, und hielt Kip mit ihrem zornigen Blick gefangen. Ihre Nägel bohrten sich schmerzhaft in seinen Unterarm. »Geh, geh und lass dich zum Wandler ausbilden, geh zur …«

Weitere Kostenlose Bücher