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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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inne.
    Karris Weißeiche hatte einen der Reiter, die König Garadul gefolgt waren, herangewunken. Der Mann verlangsamte für sie das Tempo, und sie schwang sich mit überraschender Anmut hinter ihm in den Sattel. Der Mann drehte sich im Sattel um, um ihr eine Frage zu stellen, dann fiel er zu Boden. Kip sah das schnelle Aufblitzen eines Dolchs, dann steckte die Klinge in der Scheide, und Karris trat dem Pferd in die Flanken und galoppierte hinter König Garadul her. Sie ritt allein und trug noch immer ihre Augenkappen. Sie würde nicht wandeln können, aber sie würde trotzdem versuchen, ihn zu töten. Selbst wenn sie Erfolg hatte, würde es ihren Tod bedeuten.
    Ich habe geschworen, sie zu retten. Und ich habe geschworen, ihn zu töten.
    Kip war ein lausiger Reiter, aber ohne Pferd konnte er sie bestimmt nicht einholen. Als er einige Pferde sah, die in der Nähe des Gipfels festgebunden waren, ging er direkt auf sie zu.
    »… durch das Tor der Liebenden. Du wirst schwimmen müssen. Schließ dich den Flüchtlingen an. Er wird …«
    Kip umrundete gerade rechtzeitig ein Zelt, um zu sehen, wie der junge Wandler Zymun sich in den Sattel schwang. Er hatte einen Befehl von Lord Omnichrom persönlich erhalten. Kips Herz machte einen Satz. Sie waren keine zwanzig Schritte entfernt.
    »Du brauchst ein Pferd?«, fragte jemand direkt neben Kip.
    Kip fuhr beinahe aus der Haut. Er blinzelte den Stallburschen töricht an.
    »Es geht ziemlich rau zu hier, was?«, meinte der Stallbursche.
    »Nachricht!«, sagte Kip, dem wieder eingefallen war, dass er eine Botentasche trug. »Nachricht für den König! Ja, ein Pferd! Ich brauche ein Pferd.«
    »Dachte ich mir«, erwiderte der Mann. Er machte sich auf die Suche nach einem Tier, das kräftig genug war.
    Kip schaute wieder zu Lord Omnichrom und Zymun hinüber. Er bekam nicht mit, was sie sonst noch sprachen, aber er sah, wie Lord Omnichrom dem berittenen Jungen eine Schatulle hinaufreichte.
    Diese Schatulle … Kip konnte es nicht glauben.
    Das war seine Schatulle. Die richtige Größe. Die richtige Form. Das war sein Erbe. Das Einzige, was seine Mutter ihm je geschenkt hatte. Und Zymun hatte es.
    Zymun verneigte sich vor Lord Omnichrom. Kip wich zurück, als der junge Wandler sein Pferd wendete und nach Osten davongaloppierte. Lord Omnichrom schritt zurück zum Gipfel des Hügels. Der Stallbursche brachte Kip ein Pferd und half ihm, aufzusitzen und die Muskete in einem Halfter neben dem Sattel zu verstauen.
    Kip beobachtete das Geschehen hin- und hergerissen. Lord Omnichrom verschwand den Hügel hinauf, um sich wieder zu seiner Gefolgschaft zu gesellen. Er war das Herz von alledem; Kip wusste es. Er sollte ihn töten. Orholam, die Gelegenheit dazu würde gleich vorbei sein. Aber im Süden stürmte Karris ihrem Tod entgegen, und im Osten stahl Zymun, diese Schlange, das Einzige, was Kip als Erinnerung an seine Mutter geblieben war. Töte Lord Omnichrom und mach dem Krieg ein Ende. Töte Zymun und nimm dir das Messer. Oder rette Karris und ergreife die Chance, König Garadul zu töten. Kip konnte nicht alles haben.
    Kip hatte seine Gelübde den Lebenden und den Toten gegeben. Er knirschte mit den Zähnen, davon überzeugt, dass er die falsche Entscheidung traf – und traf sie dennoch. Es ist wichtiger, dass die Unschuldigen überleben, als dass die Schuldigen sterben. Sein Vater liebte Karris, und er verdiente noch eine Chance auf Glück. Kip ritt hinter ihr her.

83
    Karris hatte noch nie in einer großen Schlacht gekämpft, aber sie hatte an der Seite von Gavins General Laufender Wolf mehrere beobachtet. In einer anderen Zeit hätte man ihn als großen Anführer verehrt. Stattdessen hatte er es mit Corvan Danavis zu tun gehabt und war dreimal von kleineren Truppen unter dem Befehl des schnurrbärtigen Genies besiegt worden. Ungeachtet dessen war er ein freundlicher, älterer Herr mit einer Schwäche für Karris gewesen, und er hatte ihr erklärt, was sie sah, während vor ihren Augen die Schlachtreihen aufeinanderprallten. Natürlich war er oft zu beschäftigt, um ihr viel zu erklären, aber bei anderen Gelegenheiten schien es ihm zu helfen, laut zu denken. Als Karris jetzt also den Hügel hinunter in Richtung des Getümmels galoppierte, konnte sie sich mehr zusammenreimen, als sie es anderenfalls vermocht hätte.
    Die Gebäude, die direkt an beiden Seiten der Mauer errichtet worden waren – und derentwegen die Mauer zu guter Letzt fallen würde, dessen war Karris gewiss –,

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