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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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vorführen lassen würde, nicht von einem Kind. Er war nicht nur älter als Kip, er war klüger und härter und erfahrener, und er verlangte Respekt.
    Und das war … angemessen.
    Aber das hinderte Kip nicht daran zu schaudern. Wenn auch nur für wenige Sekunden, er hatte wirklich geglaubt zu sterben, und er hatte nichts dagegen tun können. Aber dies war der eine Mann, der ihm zeigen konnte, wie er es anstellen konnte, nie wieder machtlos zu sein. Dies war der Mann, der ihn zu lehren vermochte, wie er seine Mutter und Rekton rächen konnte. Und Kip wollte stumm und stur dasitzen?
    Mit so viel Würde, wie er aufbringen konnte, nahm Kip seinen Platz auf dem Baumstamm wieder ein. Seine Knie zitterten, aber er schaffte es, sich hinzusetzen, ohne sich weitere Schande zu machen. »Entschuldigung«, murmelte er und wandte den Blick ab. Er räusperte sich, damit er nicht quieken würde. »Welche Entscheidungen?«, fragte er.
    Er konnte erkennen, dass Gavin ein wenig überrascht und auch erfreut war, dass Kip nicht länger gegen ihn ankämpfte, aber der Mann ließ es auf sich beruhen. »Du bist mein leiblicher Sohn, Kip. Das hat Konsequenzen. Für dich.« Kip beobachtete Gavins Gesicht genau. Er sagte die Worte »mein leiblicher Sohn«, ohne das Gesicht zu verziehen, ohne auch nur die Lippen aufeinanderzupressen. Kip fragte sich, ob er diese Miene einstudiert hatte, um die Worte so unbekümmert hervorbringen zu können. Kip hatte ein wenig von dem gesehen, was Gavin das Eingeständnis seiner Vaterschaft gekostet hatte, und trotzdem erhob der Mann Anspruch auf ihn, ohne auch nur eine Grimasse zu ziehen angesichts von Kips grimassenwürdiger Existenz. Es musste aufgesetzt sein – wer konnte sich darüber freuen zu erfahren, dass er einen Bastard gezeugt hatte? –, aber er tat es um Kips willen.
    Gavin war ein besserer Mann, als Kip erwartet hatte. »Als mein Bastard bekannt zu sein, hat seinen Preis«, fuhr Gavin fort. »Du bist nicht privilegiert groß geworden, aber Menschen, die anderen eine privilegierte Jugend neiden, werden sie auch dir neiden. Du hast keine Ausbildung genossen, aber jene, die es haben, werden auf dich herabblicken, wenn du weniger weißt als sie. Wenn ich dich anerkenne, wirst du die falsche Art von Freunden anziehen. Jene, die mich hassen und mir grollen, können es häufig nicht an mir auslassen, Kip, ich bin zu mächtig, zu gefährlich. Aber sie werden es an dir auslassen. Es ist nicht gerecht, doch so ist es eben. Du wirst unter ständiger Beobachtung stehen, und sowohl deine Erfolge als auch deine Fehlschläge werden Konsequenzen haben, die du jetzt nicht einmal erahnen kannst. Mein Vater könnte sich dafür entscheiden, dich nicht anzuerkennen. Andere werden danach trachten zu beweisen, dass du ein Betrüger bist. Andere werden versuchen, dich gegen mich zu benutzen. Und wieder andere werden sich mit dir anfreunden wollen, nur weil sie hoffen, dass es ihnen helfen wird, sich bei mir einzuschmeicheln. Falsche Freundschaft ist ein Gift, vor dem ich dich gern beschützen würde.«
    Dafür war es zu spät. Kip dachte an Ram: Ram, der stets das Kommando hatte, Ram, dem es stets gefiel, Kip seine eigene Unterlegenheit unter die Nase zu reiben und zu behaupten, es sei freundschaftliche Neckerei. Ram, den Isa geliebt hatte. Ram, der tot war, der mit einem Pfeil im Rücken dalag. »Also, welche Möglichkeiten habe ich?«, fragte Kip. »Ich bin, was ich bin.«
    Gavin rieb sich den Nasenrücken. »Für den Augenblick könntest du einfach ein x-beliebiger Schüler sein. Dann, wann immer du möchtest, werde ich dich öffentlich anerkennen. Du wirst Zeit haben, dich zu orientieren und herauszufinden, wer deine wirklichen Freunde sind.«
    »Indem ich sie belüge?«
    »Manchmal sind Lügen von größter Notwendigkeit bei unseren Freunden«, fuhr Gavin ihn an. Dann hielt er inne. »Hör mal, ich wollte dir lediglich die Möglichkeit geben …«
    »Nein, es tut mir leid. Ich bin nicht – ich bin nicht wütend auf Euch. Meine Mutter … erinnert Ihr Euch, wie sie war? Ich meine, vor mir?«, fragte Kip.
    Gavins Mund bewegte sich. Er befeuchtete sich die Lippen. Dann schüttelte er den Kopf. »Ich erinnere mich nicht an sie, Kip. Überhaupt nicht.«
    »Also, nicht direkt eine Liebesgeschichte.« Das Gefühl der Leere in Kip verdoppelte sich. Es gab keine Familie, zu der er gehören konnte. »Ihr seid das Prisma; ich schätze, eine Menge Frauen wollen mit Euch zusammen sein«, sagte Kip.
    »Es war Krieg, Kip.

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