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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Spektren, kein himmlischer Spiegel, der all das hier vergossene Blut zurückwarf.
    Karris begann, die Stadt zu durchsuchen, hielt Ausschau nach Überlebenden und besah sich den Schaden. Tu, was richtig ist, tu, was vor dir liegt. Die Stadt war nicht ohne weiteres niedergebrannt. Die Gebäude waren aus Stein, wenn auch mit hölzernen Stützbalken, und die Bäume waren grün, entweder durch manuelle Bewässerung – der Fluss lief direkt durch die Stadt – oder weil ihre Wurzeln tief genug in die Erde reichten. Aber jedes einzelne Gebäude in der Stadtmitte war vollkommen niedergebrannt. Das bedeutete Rotwandler.
    Sie mussten durch alle Gebäude gegangen sein und jeden Holzbalken mit rotem Luxin bespritzt haben.
    Karris suchte zwei Stunden lang, stieg über Schutt in den Straßen und musste manchmal um ganze Häuserblocks herumgehen. Sie wickelte sich ein nasses Tuch ums Gesicht, aber sie wurde trotzdem benommen und hustete regelmäßig. Sie fand nichts anderes als weitere Leichen und einige klagende Hunde. Alles Vieh war mitgenommen worden. Die Kirche der Stadt war Schauplatz einer kleinen Schlacht gewesen. Der Leichnam eines Luxiats lag, enthauptet wie die übrigen, vor den Türen der Kirche. Karris konnte sich vorstellen, dass er die Soldaten draußen angeprangert und versucht hatte, jene Schäfchen seiner Herde zu beschützen, die Zuflucht innerhalb der Mauern gesucht hatten. In der Kirche selbst fand sie eine Heckenschere, eine Axt, Messer, zwei Hackbeile, ein zerbrochenes Schwert und enthauptete Leichen. Und überall getrocknetes, verbranntes Blut. Die Balken hier waren durchtrennt worden, hatten aber nicht Feuer gefangen. Entweder unbeholfenes Wandeln oder religiöse Angst oder die Tatsache, dass die aus den Wüsten des südlichen Atash importierten Eisenholzbalken so alt und fest waren.
    Die Kirchenbänke jedoch und die Leichen waren verbrannt. Karris war wie in Trance, sei es deshalb, weil sie Rauch eingeatmet hatte oder weil sie einfach langsam immun wurde gegen das Bild von Tod und Leiden. In der hinteren Ecke der Kirche, hinter der Treppe, fand sie eine junge Familie; der Vater hatte die Arme um die Mutter gelegt, die ein Kind an die Brust drückte. Diese drei hatten die Soldaten nicht gefunden. Sie waren einer in den Armen des anderen an dem Rauch gestorben. Karris untersuchte sie alle drei gründlich und tastete nach dem schwachen Beben von Leben an jedem Hals. Vater, tot. Die Mutter, ein Mädchen, das noch keine achtzehn gewesen war, tot. Karris nahm zuletzt das gewindelte Baby aus ihren Armen, einen Jungen. Sie betete lautlos. Aber Orholam stellte sich taub; in seiner winzigen Brust war kein Leben mehr.
    Karris taumelte. Sie musste weg von hier. Sie legte das tote Baby auf den nächsten Tisch, nur um zu sehen, dass es der Altar war. Sie wankte den Hauptgang der Kirche hinauf, vorbei an schwelenden Bänken links und rechts, Bilder von einer anderen Zeit, von einem anderen geopferten Kind, das sich den Gräueln vor ihren Augen anschloss.
    Sie war beinahe draußen, als der Boden einstürzte.

25
    »Du musst einige Entscheidungen treffen, Kip«, sagte Gavin.
    Soweit Kip erkennen konnte, war er nur für Sekunden oder Minuten bewusstlos gewesen. Es war immer noch dunkel, und die Sterne brannten kalt am Himmel. Das Feuer versengte seine Kleider noch nicht, obwohl es ganz in der Nähe der Stelle brannte, wo er gefallen war. Die erstickende Maske aus rotem Luxin war fort, obwohl auf seiner Haut eine dünne Schicht aus körnigem, scharfem Staub verblieben war.
    »Ich werde Euch töten!«, erwiderte Kip. Er konnte niemandem trauen. Alle waren Lügner. Alle dachten nur an sich selbst. Angst stieg in ihm auf, und das führte dazu, dass Wut in ihm aufloderte, wie es manchmal geschah, heiß und wild und unkontrollierbar. Er richtete sich auf, den Blick starr auf das Gesicht des Prismas gerichtet. Der Mann sah ihn kühl an, ohne ein Zeichen von Entschuldigung, lediglich neugierig darauf, was Kip tun würde. Er beachtete seine Worte überhaupt nicht. Kip fragte sich, ob er aus dem Feuer riesige grüne Dornen heraufbeschwören könnte, um den Mann aufzuspießen.
    Wirklich klug, Kip. An einem Ort, den nur Orholam kennt, willst du deinen Führer töten? Wofür? Weil er deine Gereiztheit nicht geduldet hat?
    Kein Verrat, Kip, eine Lektion. Kip schauderte. Er hatte wirklich gedacht, dass Gavin ihn töten würde. Und das war der Punkt. Er hatte Gavin keine andere Wahl gelassen, als ihm zu zeigen, dass er sich nicht

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