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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Wenn man zu sterben erwartet, denkt man nicht über die Konsequenzen nach, die die eigenen Taten Jahre später für andere haben könnten. Wenn man überall um sich herum Freunde hat sterben sehen, hat die körperliche Liebe etwas an sich, das einem das Gefühl gibt, lebendig zu sein. Es gab viel zu viel Wein und Schnaps und niemanden, der einen jungen Hitzkopf zügeln konnte, der das Missgeschick hatte, das Prisma zu sein. Aber es ist keine Entschuldigung. Es tut mir leid, Kip. Es tut mir leid, was meine Gedankenlosigkeit dich gekostet hat.«
    Also hatte meine Mutter eine einzige Nacht mit dir, und darauf hat sie ihre Hoffnungen gesetzt. Kip hegte keinen Zweifel daran, dass sie sich mit Ellbogen und Ränken an einem Dutzend anderer Frauen vorbeigedrängt hatte, die mit Freuden das Bett des Prismas geteilt hätten. Und dafür hatte sie Jahre mit Verbitterung gefüllt?
    Kip zwang sich zu einem Lachen. Sein Herz brach. Sooft er davon geträumt hatte, wer sein Vater wohl sein mochte, er hätte es niemals gewagt zu träumen, dass er das Prisma selbst sein könnte. Aber in seinen Träumen war sein Vater wegen irgendeines Notfalls weggerufen worden. Er hatte sie verlassen, weil er es tun musste, aber er hatte Kips Mutter und Kip geliebt. Hatte sie vermisst. Hatte zurückkommen wollen und würde das eines Tages auch tun. Gavin war ein guter Mann, aber ihm lag nichts an Lina. Oder an Kip. Er würde sich um Kip kümmern, weil er pflichtbewusst war. Ein guter Mensch. Aber da war keine Liebe. Keine Familie, zu der er gehören konnte. Kip war allein, draußen, und starrte durch vergitterte Fenster auf etwas, das er niemals haben würde.
    Es war, als bekomme er ein Geschenk, das unendlich exotisch war, obwohl man sich etwas ganz Gewöhnliches wünschte. Trotzdem, wie undankbar war er? Sich zu beklagen? Sich zu bemitleiden – weil das Prisma sein Vater war?
    »Es tut mir leid«, sagte Kip. Er starrte auf seine Fingernägel, die immer noch zerrissen waren von seiner Benutzung des Luxins. »Das ist nicht richtig. Meine Mutter hatte … einige Probleme. Ich schätze, sie wollte Euch in die Falle locken, indem sie mit mir auftauchte.« Kip konnte keinen Blickkontakt halten. Er schämte sich so sehr. Wie konntest du so dumm sein, Mutter? So schäbig? »Ihr habt das nicht verdient. Ihr habt mir das Leben gerettet, und ich war … schrecklich.« Kip blinzelte, aber er konnte die Tränen nicht zur Gänze aufhalten. »Ihr könnt mich zurücklassen, wo Ihr wollt – nun, vorzugsweise nicht auf einer verlassenen Insel.«
    Gavin grinste, dann wurde er wieder ernst. »Kip, deine Mutter und ich haben getan, was wir getan haben. Ich weiß es zu schätzen, dass du versuchst, mich vor den Konsequenzen meiner Taten zu schützen, aber du lockst mich in keine Falle. Die Leute können reden. Mir ist es gleich. Verstanden?« Er stieß den Atem aus. »Wie dem auch sei, der einzige Schaden, der mir nicht gleichgültig ist, ist der, der bereits angerichtet wurde.«
    Eine Sekunde lang verstand Kip nicht. Der Schaden war bereits angerichtet? Niemand wusste auch nur, dass Kip lebte.
    Mit Ausnahme von Karris. Das war es, was Gavin meinte. Kip hatte ein Zerwürfnis mit der einzigen Person auf der Welt verursacht, an der Gavin gelegen war. Was dazu gedacht war, Kip zu trösten, traf ihn stattdessen dort, wo er am schwächsten war. Seine Mutter hatte ihm, seit er denken konnte, ein schlechtes Gewissen gemacht, einfach weil er existierte. Er hatte ihr Leben zerstört, indem er geboren wurde. Er hatte ihr Leben zerstört, indem er zu viele Ansprüche hatte. Er war der Grund, warum die Leute auf sie herabblickten. Er hatte sie von all den Dingen abgehalten, die sie hätte tun können. Im Geiste konnte er versuchen, ihre Worte abzuschütteln. Sie meinte es nicht so. Sie liebte Kip, auch wenn sie die Worte nie ausgesprochen hatte. Sie wusste nicht, wie sehr sie ihn verletzte.
    Aber Gavin war ein guter Mann. Er hatte das nicht verdient.
    »Kip. Kip.« Gavin wartete, bis Kip zu ihm aufblickte. »Ich werde dich nicht im Stich lassen.«
    Visionen von einem verschlossenen Schrank, schreien – schreien – und niemand, der antwortet. »Haben wir noch etwas zu essen?«, fragte Kip blinzelnd. »Ich habe das Gefühl, als hätte ich seit einer Woche nichts mehr gegessen.« Er stach sich in die Brust. Er konnte spüren, dass die Rippen aus seinem Fleisch ragten.
    Gavin zog einen Strang Würstchen aus seinem Bündel, schnitt eines ab – nur eines? – und warf es Kip

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