Schwarzes Prisma
denen Fracht oder Mannschaften an Bord der auf Reede liegenden Schiffe oder von Bord an Land befördert wurden.
»Ist es immer so?«, fragte Kip.
»Immer«, antwortete Eisenfaust. »Die Bucht ist zu klein; um also der Anzahl von Booten Platz zu bieten, die gebraucht wird, um den Handel in Gang zu halten, gibt es ein kunstvolles System, nach dem ermittelt wird, wer zuerst einläuft. Es funktioniert …« Er blickte zu einem Kapitän auf, der den Hafenmeister, der mit einem Abakus auf seinem Deck stand, laut beschimpfte. Der Hafenmeister wirkte einzigartig unbeeindruckt. »Meistens jedenfalls.«
Da er immer wieder scharf ihren Kurs ändern musste, um – entsprechend einer Schifffahrtsetikette, die er nicht verstand – anderen Booten und Schiffen auszuweichen, erhaschte Kip kaum einen Blick auf die Stadt, die Großjasper bedeckte. Und soweit er sah, bedeckte sie Großjasper tatsächlich. Direkt über dem Ufer führte eine Mauer um die ganze Insel herum – etliche Wegstrecken –, aber nicht einmal diese Mauer konnte die Stadt verbergen, die sich auf zwei Hügeln erhob. Abgesehen von einigen grünen Flecken – Gärten, Parks, großen Anwesen? – waren überall Gebäude. Hohe, knollenförmige Kuppeln in jeder Farbe, überall. Und Menschen, mehr Menschen, als Kip je gesehen hatte.
»Kip. Kip! Hart backbord! Gaffen kannst du später.«
Kip riss den Blick von der Insel los und steuerte das Boot nach backbord, wobei er es mit knapper Not vermied, eine Galeasse zu rammen. Deren erster Maat, ein Mann mit verknotetem Haar, bedachte sie mit einem bösen Blick. Es sah aus, als wolle er auf sie herabspucken, aber als er ihre Uniformen erkannte, spuckte er stattdessen auf sein eigenes Deck.
Sie kamen wieder in offenes Wasser und hatten inzwischen die Ostseite der Insel erreicht. »Dort hinein«, sagte Eisenfaust. Kip nahm Kurs auf einen kleinen Anleger, an dem einige Fischerboote vertäut waren. Sie legten an, gingen von Bord und stapften auf die Mauer zu. Kip versuchte, nicht zu gaffen, obwohl die Mauer selbst fraglos das größte von Menschen geschaffene Gebilde war, das er je gesehen hatte.
Eisenfaust schritt auf ein Tor in der Mauer zu. Die Wachen davor wirkten verwirrt. »Oberst?« Dann salutierten sie scharf und mit großen Augen. »Hauptmann!«
Eine kleinere, in das größere Tor eingelassene Tür stand offen, und Eisenfaust trat hindurch und nickte dabei den Männern grüßend zu. Die Stadt, die dahinter lag, war zu überwältigend, als dass Kip auch nur einen Teil davon hätte aufnehmen können. Aber das, was ihn als Erstes traf, war der Geruch.
Eisenfaust musste den Ausdruck auf seinem Gesicht bemerkt haben. »Du denkst, das sei übel? Du solltest mal eine Stadt ohne Kanalisation kennenlernen.«
»Nein«, sagte Kip und betrachtete die vielen Hundert Menschen in den Straßen, die drei- und viergeschossigen Gebäude überall, die gepflasterten Straßen, in die eine Handbreit tief Furchen gegraben waren. »Es ist nur so, dass es hier so viel gibt.« Und das stimmte. Gerüche von garendem Schweinefleisch, Gewürze, die Kip nicht kannte, frischer Fisch, verfaulender Fisch, ein schwacher Geruch von menschlichen Exkrementen und ein stärkerer von dem Mist von Rindern und Pferden und ein Geruch, der alle anderen überlagerte: der Gestank von ungewaschenen Männern und Frauen.
Die Menschen machten Eisenfaust wie selbstverständlich den Weg frei, und Kip folgte in seinem Kielwasser und versuchte, niemanden umzurennen, während er all die Menschen betrachtete. Da waren Männer, die Ghotras trugen wie Eisenfaust, aber auch solche in Roben mit karierten Mustern und grellen Farben. Da waren Atashi mit ihren beeindruckenden Bärten, die mit Perlen und Zöpfen geschmückt waren. Da waren Ilytanerinnen mit Kleidern in vielen Schichten und Schuhen, die beinahe wie Stelzen waren und sie um eine volle Handspanne größer machten. Und überall ein Aufruhr von Farben. Jede Farbe des Regenbogens, kombiniert auf jede mögliche Art und Weise. Eisenfaust sah Kip erheitert an.
»Diese Soldaten am Tor«, sagte Kip und versuchte, Eisenfausts Aufmerksamkeit von seiner hinterwäldlerischen Art abzulenken. »Das waren nicht Eure Männer.«
»Nein«, bestätigte Eisenfaust.
»Aber sie haben Euch erkannt, und Ihr habt sie nicht erkannt, und sie waren wirklich aufgeregt, dass sie Euch gesehen hatten.«
Eisenfaust musterte Kip mit einem Stirnrunzeln. »Wie alt bist du noch mal?«
»Ich bin fünf …«
»Der Hauptmann«, sagte
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