Schwarzkittel
zwei Frauen aus dem Esoterikzirkel an.
»Da seid ihr ja schon meine Lieben, kommt rein, ich verabschiede nur noch schnell meinen Besuch«, begrüßte Frau Overath ihre Damen in dem mir bereits bekannten Flötenton. Sie zwinkerte mir kaum merklich zu, als sie im Beisein der neuen Gäste nur mir zusäuselte: »Herr Palzki, ich habe gestern die Karten für Sie gelegt. Das Ergebnis habe ich mehrmals überprüft. Passen Sie bitte gut auf sich auf.«
»Wieso? Was haben die Karten gezeigt?«
»Es war die römisch 13, der Tod.«
Ich schluckte. »Tja, da haben die Karten nicht gelogen. Langfristig werden wir alle tot sein.«
Sie schüttelte energisch ihren Kopf. »Sie wollen nicht verstehen, sie zeigen die nähere Zukunft.«
»Da muss ich durch, ich habe eben einen gefährlichen Beruf gewählt. Und wissen Sie was? Agent 008 wird mich bestimmt rächen«, spottete ich.
»Versprechen Sie mir wenigstens, dass Sie morgen nichts Gefährliches unternehmen, da steht nämlich die Venus in Opposition zum Mars, das bedeutet Liebe, Krieg und Intrigen.«
Jetzt zuckte ich zusammen. Ups, warum fiel mir spontan Stefanie ein? Hatte die Esoterikgattin meinen wunden Punkt gefunden oder war es nur Zufall?
»Danke für den Hinweis, Frau Overath. Zünden Sie doch bitte eine Kerze für mich an.«
Sie schaute mich mit offenem Mund an. »Ist das Ihr Ernst? Kerzen zündet man nur für Tote an.«
Klasse, wieder mal in ein Fettnäpfchen getreten, dachte ich mir. »Okay, lassen Sie das mit der Kerze, sollte nur ein Witz sein.«
»Mit dem Tod macht man keine Witze, Herr Palzki.«
»Sie haben recht, entschuldigen Sie bitte.«
Ich schaffte es, mich zu verabschieden, ohne irgendwelche esoterischen Dienste oder Produkte bei ihr zu erwerben. Dennoch hatten mich ihre Worte beeindruckt und zugleich verunsichert.
Dummerweise konnte ich nicht gleich losfahren. Schon wieder war ein Möbellaster daran schuld. Der Fahrer versuchte recht ungeschickt, in die Hofeinfahrt der Nachbarn von Overaths zu rangieren. Da es sich bei der Straße um eine Einbahnstraße handelte und sie zusätzlich recht eng war, blieb mir nichts anderes übrig, als dieses Schauspiel live zu verfolgen.
Meine Gedanken schweiften ab. Auch ich hatte während meines Studiums, zwecks dessen Finanzierung, von Zeit zu Zeit in so einem Möbellaster gesessen. Herr Frank war selbstständiger Spediteur gewesen, obwohl er ausschließlich für ein bestimmtes Möbelhaus die Waren ausfuhr. Selbstständige Einmannspediteure hatten einen Nachteil: Sie mussten selbst bei Krankheit ihren Job erfüllen, sonst waren sie schnell ihre Aufträge los. Vom fehlenden Verdienst ganz zu schweigen. Nach einer Handgelenkoperation hatte Herr Frank eine Zeit lang nichts Schweres tragen können. Es gelang ihm zwar, seinen Laster zu fahren, er benötigte jedoch zwei Hilfskräfte, die die Möbel zu den Kunden schleppten. So war ich zu diesem Ferienjob gekommen, der mir immer in Erinnerung bleiben wird. Die zweite Aushilfe hatte mit Spitznamen Hacki geheißen. Hacki war auf seine Art einmalig gewesen. Er sprach immer genau das aus, was er gerade gedacht hatte. Und das wortwörtlich. Durch seinen geringen und teils vulgären Sprachschatz war er unverwechselbar gewesen. Ich weiß noch, wie er einmal bei einem Kunden geklingelt hatte. Als aus der Sprechanlage ein »Ja, hallo?« getönt hatte, plärrte er spontan zurück: »Mach uff, Möwel!«
Ein anderes Mal waren wir in einem besonders feinen Haus zu Gast gewesen. In dem auf den ersten Blick erkennbar kinderlosen Haushalt war eine aufgetakelte Madame durch schätzungsweise 300 Quadratmeter Wohnfläche getänzelt. Bereits am Eingang hatten wir Filzpantoffeln anziehen müssen, damit der Boden geschont würde. Das alles beeindruckte Hacki überhaupt nicht. Er hatte seine Zigaretten ausgepackt und polterte los: »Hoscht du mol een Aschebecher fer mich?«
Die Dame des Hauses hatte einen Moment gebraucht, um den in ihren Augen proletarischen Dialekt ins Reine zu übersetzen. »Oh, tut mir leid«, gab sie daraufhin pikiert zurück, »aber wir sind hier ein Nichtraucherhaushalt. Außerdem wäre es meinen Allergien abträglich.«
Hacki hatte ihr scheinbar nicht richtig zugehört. »Du werscht doch ebbes hawe, wu ich mei Kippe nei due kann?«
Es war gekommen, wie es kommen musste: Die allergiegeplagte Schönheit hatte mit einem Marmeladenglasdeckel die Bedürfnisse Hackis befriedigt. Er schien immer alles zu bekommen, was er wollte.
Jetzt erst bemerkte ich, dass die
Weitere Kostenlose Bücher