Schwarzlicht (German Edition)
nicht ab, den Gefallen tu ich ihm nicht!»
Vincents zweites Handy gab Laut. Ein Prepaid-Teil, das er sich am Morgen erst besorgt hatte. Eine Kurznachricht aus Zürich. Sie sind jederzeit willkommen, Herr Veih. Es ist alles für das Konto vorbereitet.
Er hatte dem gelben Sack ein paar Geldbündel entnommen, unbemerkt von Dominik und allen anderen. Seine erste kriminelle Tat seit seiner Zeit als jugendlicher Punk, und ein wenig war er stolz darauf. Feli sollte das Geld nach ihrem einundzwanzigsten Geburtstag zur Verfügung stehen. Die Summe der beschlagnahmten Banknoten entsprach jetzt nicht mehr ganz dem Betrag, den Castorps Freundin in ihrer Aussage beziffert hatte, doch die Scheine waren nicht gekennzeichnet, keiner konnte ihre Spur verfolgen. Ingo hätte die Differenz abzweigen können, Dollinger oder auch dessen Freundin.
«Du kannst das Handy nicht anlassen», sagte Blümchen. «Nicht, dass noch einer der Kranken hier einen Herzkasper bekommt.»
Vincent drückte ihre Hand. «Ich muss sowieso aufbrechen.»
«Warum so eilig?»
«Ein Rendezvous mit der Vergangenheit.»
«Noch älter als ich?»
Vincent nickte.
Auf der Fahrt zur Festung hörte Vincent Radio. In Berlin gab die Kanzlerin eine Pressekonferenz mit Wahlverlierer Driesbach. Die Schlappe als Chance zum Neuanfang, die schwarzen Konten als Fehler eines Einzelnen, der Geschichte war.
Das Handy, Kripochef Engel: «Sie haben mir ein verdammt turbulentes Wochenende eingebrockt, Herr Veih.»
«Wenn das Ihr Lob dafür ist, den Fall Castorp gelöst zu haben, nehme ich es dankend an.»
«Was noch fehlt, ist die Klärung der Abhöraffäre. Wer hat die SPD-Büros verwanzt? Sie haben so viel Zeugs beschlagnahmt, da muss doch etwas daraus hervorgehen!»
«Eines nach dem anderen, Herr Engel.»
«Und wie geht es dem Kollegen Roth?»
Vincent hatte Dominik vor Augen, als er ihn nach der Morgenbesprechung wieder nach Hause geschickt hatte: fahrig, konfus, benebelt von Psychopharmaka. «Er hat in eine stationäre Behandlung eingewilligt.»
«Vermutlich das Beste für ihn. Der Papst will uns übrigens schon zum Monatsende verlassen. Er hat angedeutet, dass er in die private Sicherheitsbranche wechseln wird.»
Osterkamp, dachte Vincent. «Und, kann man Ihnen gratulieren?»
«Fehlanzeige. Simoniak hält nichts von einer internen Lösung. Wir bekommen wohl wieder jemanden aus dem Ministerium vor die Nase gesetzt. Aber an Ihnen scheint sie einen verdammten Narren gefressen zu haben. Die Stelle als Kommissariatsleiter ist Ihnen offenbar sicher.»
Vincent kam zu spät zur Eröffnungsveranstaltung im Foyer, der Rundgang im Kellergeschoss hatte bereits begonnen, geführt von Max Dilling, seinem einstigen Dienstgruppenleiter. Als Max ihn erspähte, begrüßte er ihn mit großer Herzlichkeit und stellte ihn einigen Ehrengästen vor, Mitgliedern der jüdischen Gemeinde, Historikern. Für Innenminister Driesbach hatte der Polizeipräsident die Begrüßungsrede gehalten, knapp und lustlos, und war gleich darauf wieder verschwunden – Max hatte dafür nur ein Schulterzucken übrig.
Die Ausstellung ging über vier Stationen: Kaiserzeit, Weimarer Republik, Naziregime und Nachkriegsära. Während sich das Gros der Gäste noch bei den Pickelhauben aufhielt, trat Vincent vor das lebensgroße Foto im zentralen Kellerraum, das seinen Opa zeigte: ein junger Mann in Uniform, Zweige zur Tarnung an den Helm gesteckt, Handgranaten im Koppel, ein Lächeln im Gesicht.
Oberwachtmeister Gerhard Veih, Polizeiregiment 25, Lublin .
Das zweite Bild sah Vincent zum ersten Mal, Max hatte es aus anderer Quelle besorgt. Es zeigte ein zerstörtes Gebäude, tote Kinder und Erwachsene lagen davor aufgereiht wie Wild, das Jäger zur Strecke gebracht hatten. Deutsche Polizisten posierten rechts und links, fröhlich, feixend, ausgelassen.
Die Schule in Bialowola, Distrikt Zamość, 29. XII. 1942 .
In einer Vitrine fand Vincent die Briefe seines Großvaters. Akkurate Handschrift in blauer Tinte. Unwillkürlich fiel Vincent Opas Reaktion ein, nachdem er einmal eine Ansichtskarte aus einem Ferienaufenthalt nach Hause geschrieben hatte: Statt Freude zu zeigen, hatte der Alte die Rechtschreibung korrigiert: Ordnung führt zu allen Tugenden .
Drei Hocker standen aufgereiht an der Wand, darüber hingen Kopfhörer. Bereits der Anblick dieser Dinge wühlte Vincent auf. Er wusste, wozu sie dienten. Trotzdem nahm er Platz und setzte sich die Hörermuscheln auf die Ohren.
Die Stimme war ihm aus dem Radio
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