Schwarzlicht (German Edition)
verdrängt, eine zweite sollte einer Entzündung vorbeugen. Am meisten ärgerte Vincent, dass er in den nächsten Wochen auf sein Lauftraining verzichten musste. Das Klingeln in seinen Ohren hatte nachgelassen, nur ein leises Rauschen im hohen Frequenzbereich war geblieben.
Dominik saß neben ihm und bekam nicht viel von dem mit, was draußen vorging. Der Arzt hatte ihm ein Beruhigungsmittel verabreicht, dennoch plapperte der junge Kollege in einem fort. Dass ein Junkie einst seine Frau ermordet und er bei der Jagd auf den Täter eine unbeteiligte Person tödlich verletzt hätte. Dass er seitdem nie wieder eine Waffe anfassen wollte, später jedoch erneut in eine Schießerei verwickelt gewesen war – und jetzt das Ding im Keller.
«Ich weiß, mein Junge», sagte Vincent, sich um einen beruhigenden Ton bemühend.
Dominik quasselte weiter. Er ziehe das Unheil an. Es müsse ein Fluch auf ihm liegen, anders könne er sich das nicht erklären. Vincent beschloss, nicht weiter hinzuhören.
Zwei Sanitäter schleppten Ingo Ritter auf einer Trage aus dem Haus, ein dritter hielt eine Blutkonserve hoch. Sie schoben den Verletzten in den rot-weißen Transporter.
Vincent stieß Dominik an. «Hey, du Unheil-Magnet, schau hin, dein Opfer lebt noch.»
Staatsanwalt Kilian stieg aus einem dunklen Auto und blickte sich um. Vincent betätigte die Lichthupe und ließ das Fenster herunterfahren. Im Laufschritt eilte der Grauhaarige herbei. Dominik hatte sein Gequassel endlich eingestellt.
«Das Radio», sagte der Staatsanwalt außer Atem. «Da werden sich einige Herrschaften gewaltig in den Allerwertesten beißen.»
Vincent schaltete ein.
… wie der Spiegel vorab in seiner Online-Ausgabe meldet. In einer ersten Reaktion versicherte die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende, nichts von den illegalen Machenschaften des damaligen Schatzmeisters gewusst zu haben. Die Herkunft des Geldes sei ihr unerklärlich, weitere Schattenkonten existierten ihres Wissens nicht. Der Partei drohen nun Geldbußen in Millionenhöhe nach dem Parteienfinanzierungsgesetz, zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft in Berlin wegen des Verdachts auf Untreue und Steuerhinterziehung. Heftige Vorwürfe erhob die Opposition in Berlin und Düsseldorf. Die Rechtsverletzung offenbare eine fragwürdige Einstellung zur Demokratie, so Martina Simoniak, SPD-Kandidatin um das Amt der Ministerpräsidentin in Nordrhein-Westfalen, wo übermorgen gewählt wird. Selbst der Koalitionspartner im Bundeskabinett ging auf Distanz. Dass Walter Castorp die geheimen Konten im Alleingang angelegt habe, sei unglaubhaft, so ein Sprecher der FDP. Der neue Parteienfinanzierungsskandal ist während der Ermittlungen zum Mord an Walter Castorp aufgefallen. Nach Darstellung des Hamburger Magazins …
«Stecken Sie dahinter?», fragte Kilian.
Vincent lachte nur.
Die Beifahrertür wurde aufgerissen, Thilo Becker streckte seinen Blondschopf in den Wagen. «Wer von euch hat geschossen?»
«Zuerst Ingo Ritter», antwortete Vincent. «Dann hat unser junger Held mein Leben gerettet.»
Becker wandte sich an Dominik. «Ich muss deine Hände abkleben, Kollege Roth. Und ich brauche dein Hemd.»
«Bitte?»
«Wegen der Schmauchspuren.»
«Tu ihm den Gefallen», sagte Vincent. «Ich spendier dir ein neues.»
«Aber bitte nicht mit Palmen drauf», antwortete Dominik.
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Teil sechs
Montag, 20. Mai
81
In der Verkleidung, die er auf der Intensivstation tragen musste, kam sich Vincent vor wie an einem Tatort, nur dass das Zeug grün war. Den Mundschutz ließ er weg, um Blümchen nicht zu erschrecken.
Sie war blass und unfrisiert. Allerlei Schläuche hingen an ihr. Der Monitor neben dem Bett blinkte für Vincents Gefühl viel zu unregelmäßig, doch eine Schwester hatte ihm verraten, dass die Patientin vermutlich noch heute auf die chirurgische Station verlegt werden würde. Bettina Blume habe das Schlimmste überstanden, hieß es.
«Du bist zäh», sagte er.
«Das behaupten hier alle.»
«Kriegst du die Nachrichten mit?»
«Nur, was die Schwestern erzählen. Die SPD hat die Wahl gewonnen, und einer von euch hat Mikes Komplizen erschossen.»
Vincent nickte. Ingo Ritter war am Samstag seiner Schussverletzung erlegen.
«Warum hast du Feli nicht mitgebracht?»
«Sie wollte unbedingt wieder zur Schule.»
Blümchen zeigte ein mattes Lächeln.
«Dein Vater hat das Sorgerecht für sie beantragt.»
«Damit der alte Lustmolch sie auch noch missbrauchen kann? Nein, ich kratz
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