Schwarzlicht (German Edition)
Kundengespräch.»
«Krieg raus, wann sie zurückkommt. Fang sie am Flughafen ab. Sie hat Castorp bei seiner Rückkehr aus der Schweiz getroffen. Wir müssen alles wissen, woran sie sich erinnern kann.»
«Okay.»
«Noch etwas?»
«Ja, das Feuerwerk. Die Fehlzündungen. Es gibt weitere Leute, die sich an einen Knall erinnern, einige von den Wirtschaftsprüfern in der achten und neunten Etage. Muss gestern so gegen siebzehn Uhr gewesen sein.»
«Das war kein Feuerwerkskörper. Das war ein Schuss.»
«Holla.»
Fabri wühlte mit einer Pinzette in der Steppdecke und zog das Projektil heraus. Anna leuchtete mit Fabris Maglite darauf. Vincent beendete das Gespräch mit Bruno und trat näher.
Ein Vollmantel-Ogivalgeschoss. Vincent konnte Schmutz erkennen und die Riefen, die von den Zügen im Lauf der Waffe stammten.
«Sieht aus wie 9mm Parabellum», sagte Fabri.
Anna verschränkte die Arme und blickte Vincent an. «Castorp schießt also auf sein Bett und ertrinkt kurz darauf im Schwimmbecken nebenan.»
Vincents Handy gab Laut. Noch einmal Bruno. «Einer von den Wirtschaftsprüfern in der Neunten ist dem Ministerpräsidenten ebenfalls begegnet. In Begleitung einer Frau, die nicht Frau Castorp war.»
«Wann?»
«Vorgestern um achtzehn Uhr.»
«Bin sofort bei euch.»
19
Eine Treppe tiefer, ein Schild aus poliertem Messing: Daum & Menzel . Vincent drückte die Tür auf. Ein heller Flur, Leute hasteten vorbei. Bruno Wegmanns tiefe Stimme tönte aus einem der Büros weiter hinten. Vincent trat ein und zog die Tür hinter sich zu.
«Jetzt noch einmal auf Anfang für meinen Kommissariatsleiter», sagte Bruno und wischte sich mit dem Taschentuch Schweißtropfen vom Schädel.
«Es war am Sonntag», begann der Typ und lehnte sich in seinem Bürostuhl zurück. «Ich war hier, weil mir ein Vertrag keine Ruhe gelassen hat, der diese Woche fertig werden muss. Gegen achtzehn Uhr fahre ich also runter in die Tiefgarage. Da kommt mir doch tatsächlich Walter Castorp entgegen und diese Frau. Ich will grüßen, doch dann habe ich den Eindruck, die Herrschaften möchten gar nicht angesprochen werden.»
Der Angestellte wirkte wie frisch von der Uni. Rosiges Gesicht, dicke Brille. Der Nadelstreifenanzug und die dezente Krawatte mit Streifenmuster kamen Vincent an dem jungen Kerl wie eine Verkleidung vor. Daum & Menzel bot Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Consulting an und belegte in diesem Haus noch ein weiteres Stockwerk. Die Mitarbeiter, denen Vincent auf dem Gang begegnet war, hatten ähnlich ausgesehen: Gelfrisur, glatt rasierte Wangen, konservatives Outfit.
«Woher hatten Sie diesen Eindruck?», fragte Vincent.
«Weiß nicht. Der ausweichende Blick vielleicht.»
«Beschreiben Sie mir die Frau.»
«Attraktiv, ich meine schlank, sportliche Figur und ganz hübsches Gesicht. Sie trug eine weiße Hose und eine hellblaue Bluse.»
«Alter?»
«Bin schlecht im Schätzen, vielleicht um die dreißig.»
«Haare?»
«Blond, so etwa schulterlang. Sonnenbrille hochgesteckt.»
«Eine kleine Narbe im Gesicht?»
«So genau habe ich nicht hingesehen.»
Carmen Markowitz, da war sich Vincent sicher.
«Ist Ihnen noch etwas aufgefallen?»
«Hm. Ja. Ich weiß nicht.»
«Nur zu.»
«Ich hab den beiden die Tür aufgehalten. Castorp trug in jeder Hand einen schmalen Aktenkoffer, schwer waren die Dinger sicher nicht. Die Frau musste dagegen den großen Rollkoffer ziehen und hatte über der Schulter noch eine Reisetasche hängen. Da ist eine Stufe, und die Frau musste sich ganz schön abmühen. Ich fand das komisch, denn er hätte ihr doch die schweren Sachen abnehmen können.»
«Noch etwas?»
«Castorp hat kein Wort geredet. Nicht einmal ein Dankeschön fürs Türaufhalten.» Der junge Mann verzog den Mund. Was soll man von Politikern auch erwarten, schien seine Grimasse zu sagen.
Vincent und Bruno nahmen den Aufzug nach unten. Der Exboxer drückte seine Pranke auf die Taste für die Garage.
«Lass mich im Erdgeschoss raus», sagte Vincent.
«Nein, komm, ich muss dir was zeigen», insistierte Bruno.
Endstation, der Aufzug stoppte ruckartig. Ein kahler Flur, weiß getünchter Beton. Am Ende eine schwere Stahltür, Bruno hielt sie auf. Hier war die Stufe, die der junge Controller erwähnt hatte. Vincent trat auf das Garagendeck.
Bruno wies nach links und hob erwartungsvoll die vernarbten Augenbrauen.
Glatter grauer Estrich, die Stellplätze mit weißen Linien markiert. Die Wand voller Schilder mit dem Schriftzug Daum &
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