Schwarzlicht (German Edition)
der Welt abhandengekommen.»
18
Quer über den Treppenabsatz war rot-weißes Flatterband gespannt, die Tür verschlossen. Vincent drückte den Klingelknopf. Der Ton erinnerte ihn an die futuristischen Klänge, die auf französischen Flughäfen die Durchsagen einleiteten.
Fabri öffnete. «Du siehst müde aus.»
«Dann sind wir schon zwei.» Vincent schnappte sich ein Set Schutzkleidung aus dem Fundus der Tatortgruppe.
Fabri hatte die Nacht durchgemacht. Neue Leute assistierten ihm jetzt. Sie hatten im Wohnzimmer ein Portemonnaie voller Karten, Bargeld und Quittungen gefunden. Tankbelege, Restaurantrechnungen. Sie schienen die Aussage der Referentin zu bestätigen. Carmen Markowitz – Vincent hatte vor Augen, wie sie an ihren Kragen fasste und ihre Narbe betastete. Wie sie sich vorbeugte, als er mit ihr allein war.
Anna traf ein, auch sie zog das Tyvek-Zeug über. «Castorp hatte diesen typischen Schaum in den Luftwegen, der sich bildet, wenn du beim Ertrinken krampfhaft zu atmen versuchst. Außerdem hat die Professorin an der Hirnhaut und im Bereich der Hirnrinde Blutaustritte entdeckt, quasi die innere Entsprechung der Platzwunde am Schädel.»
«Schlussfolgerung?»
«Da hält sie sich zurück. Wahrscheinlich war der Mann bewusstlos, als er ins Wasser fiel.»
«So weit waren wir schon. Die Kopfverletzung. Schlag oder Sturz?»
«Beides ist möglich, sagt die Professorin.»
Fabris Handy ließ ein Schnarren hören. Er telefonierte kurz, dann sagte er: «Pulverschmauchablagerungen am rechten Ärmel des Bademantels.»
«Jetzt erst?», staunte Anna.
«Falsche Frage.» Fabri war sichtlich sauer. Er wandte sich an Vincent. «Es hat gedauert, bis der Mantel trocken war. Wir mussten Infrarot-Fotografie einsetzen. Sag der Kollegin, dass es mindestens eine Woche dauern wird, bis wir mit allen Spuren durch sind.»
«Das weiß sie», sagte Vincent. «Was ist los mit euch beiden?»
Einen Moment schwiegen alle, dann fragte Fabri: «Wo fangen wir an?»
«Im Schlafzimmer», beschloss Vincent. Wenn es einen Kampf gegeben hatte, dann dort, wo die Spur des verwischten Bluts ihren Ausgangspunkt hatte.
Schweigend suchten sie zu dritt, entdeckten jedoch weder Waffe noch Hülse, nicht einmal die Spur eines Geschosses. Den Teppich mit den Blutanhaftungen an der Unterseite hatten die Kollegen ins Präsidium geschafft. Hätte darin ein Projektil gesteckt, wäre es längst gefunden worden.
«Und wenn Castorp den Schuss nicht in dieser Wohnung abgefeuert hat?», fragte Anna. «Sondern zum Beispiel in der Schweiz?»
«Im Bademantel?», fragte Fabri zurück.
«Wir suchen weiter», entschied Vincent. «Um die Wette.»
Er und Anna legten je einen Zehner auf den kleinen Tisch, Fabri brummte eine Missbilligung, folgte aber ihrem Beispiel.
Anna begann, ein zweites Mal die Holzpaneele abzutasten. Fabri nahm eine Taschenlampe zu Hilfe und verschwand in den Schränken.
Vincent knöpfte sich das Bett vor. Keine Schramme am Podest. Er richtete sich auf. Wieder ein Stich im Knie. Nina meinte, er übertreibe es beim Training.
«Ist das Bettzeug bewegt worden?», fragte er.
«Mit Sicherheit», brummte Fabri.
Vincent strich über den weißen Baumwollbezug. Eine leichte Steppdecke steckte darin. Er drehte sie um. In der zweiten Decke fand er ein etwa erbsengroßes Loch, das auch von Mottenfraß stammen konnte. Das Laken, das die Matratze bedeckte, war unversehrt. Vincent begann die Decke abzutasten und stieß auf etwas Hartes.
«Bingo», sagte er, stand auf und strich das Geld ein.
Fabri holte eine Kamera, um zunächst das Loch im Bezug zu dokumentieren.
Vincent wählte die Nummer des Kollegen Wegmann. «Was machen die Befragungen, Champion?»
«Hab den Radiomann gesprochen, der Castorp in der Tiefgarage gesehen hat. Das muss vor der Reise in die Schweiz gewesen sein. Soll ich dir die Aussage vorlesen?»
«Nein, weiter.»
«Jemand aus der Werbeagentur in der Vierten will den Ministerpräsidenten ebenfalls erkannt haben. Auch schon ein paar Tage her. Sagt, eine Kollegin habe ihm bestätigt, dass es Castorp war.»
«Wie, bestätigt?»
«Sie hat ihn auch gesehen, als sie Feierabend gemacht hat. Am Sonntag. Komische Arbeitszeiten haben diese Werbeleute.»
Also nach dem Trip in die Schweiz, schoss es Vincent durch den Kopf.
«In Begleitung einer jüngeren Frau», kam Brunos Stimme aus dem Handy.
«Blond, adrett, etwa dreißig? Narbe unterm Auge?»
«Keine Ahnung. Die Zeugin aus der Agentur ist gerade in London.
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