Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken

- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken

Titel: - Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Radloff
Vom Netzwerk:
feierten ihn schon als Heilsbringer. Das hatten die digitalen Schafe auch mit Westphal gemacht, aber im Gegensatz zum Minister war Meph einer von ihnen. Er war ein Underdog, der das analoge Establishment herausforderte und seit zwölf Tagen zum Narren hielt. Dass er in dieser Zeitspanne keinen einzigen Beweis für seine Anschuldigungen gegen Westphal erbracht hatte, fiel bei so viel Randomness kaum noch ins Gewicht.
    »Sie kommen keinen Deut besser voran als Littek«, knurrte Westphal.
    »Ich komme voran«, widersprach Stephans. »In den letzten anderthalb Wochen habe ich unzählige Kameraaufzeichnungen, Vernehmungsprotokolle, forensische Ergebnisse und dergleichen durchgearbeitet.«
    »Das ist nur ein Bruchteil des vorhandenen Materials.«
    »Ich arbeite so schnell, wie es die Gründlichkeit und mein Schlafbedürfnis erlauben. Und im Gegensatz zu Kollege Littek kann ich nicht exakt eingrenzen, wonach ich überhaupt suche.«
    »Das genügt mir nicht! Während Sie Ihre Zettel vollkritzeln, orchestriert Effenberger im Netz den Pöbel und zieht meinen Namen und meine Arbeit in den Schmutz. Haben Sie den jüngsten Eintrag auf dieser Seite gelesen, auf der er und seine Anhänger an ihren Verschwörungstheorien stricken?«
    »Sie meinen das Kommissions-Memo?«
    »Was denn sonst? Schlimm genug, dass die Bevölkerung diesen Effenberger unterstützt. Und jetzt treibt auch noch jemand aus meinem Umfeld seinen Kreuzzug voran! Habe ich all das aufgebaut, nur um mich jetzt öffentlich demontieren zu lassen?« Westphals unbeherrschte Reaktion gab Stephans eine Ahnung davon, wie groß der Druck war, unter dem der Mann stehen musste.
    »Wenn Sie gewusst hätten, was geschehen würde, hätten Sie den ›Ich kooperiere doch!‹-Clip trotzdem verbreiten lassen?«, wollte der Kommissar wissen.
    »Hätte und wenn bringen uns jetzt nicht weiter«, wies Westphal ihn zurecht. »Woher wissen Sie überhaupt, dass ich dafür verantwortlich bin?«
    »Bis eben habe ich es nur vermutet«, konterte Stephans. »In unserer ersten Besprechung waren Sie überzeugt davon, dass der Clip in Umlauf geraten und Meph unter Druck setzen würde. Woher hätten Sie das wissen können, ohne es selbst in die Wege zu leiten?«
    Westphal nickte. »Sie haben einen scharfen Verstand«, erkannte er. »Passen Sie auf, dass Sie sich nicht daran schneiden.« Die Drohung ging ihm genauso beiläufig über die Lippen wie das Lob.
    »Wissen Sie, wer die anonyme Quelle ist?«, fragte Stephans.
    »Nein. Er leitet seinen Netzzugang über ausländische Proxyserver um, die ihre Zugangsdaten schneller löschen, als wir sie anfordern können. Wie Sie ja wissen, weigern sich einige ach so liberale Staaten nach wie vor, derartige Seiten zu verbieten. Wir sperren den Zugriff auf sie, aber für jede Adresse, die wir blockieren, tauchen zwei neue auf. Das Gleiche gilt für die Umleitungen zu diesem Forum, in dem Effenberger den Mob anstachelt. Running Meph .« Westphal vollbrachte das Kunststück, den Namen der Webseite gleichzeitig verächtlich und respektvoll auszusprechen.
    »Aber nicht alle Besucher von Running Meph verschleiern ihre Identität«, vermutete Stephans.
    »Natürlich nicht. In 99 Prozent der Fälle wissen wir genau, wer wann die Seite anwählt und wie lange er dort welchen Eintrag liest. Leider helfen uns diese Daten nicht weiter. Unsere Infrastruktur erlaubt es, den Zugang zu erschweren, aber unmöglich machen können wir ihn nicht. Und ein Verbot …« Westphal machte eine Pause, ehe er fortfuhr: »So unangenehm es in meiner Situation auch ist, aber ein Besuchsverbot dieser Seite wäre juristisch nicht gedeckt. Solange dort keine offenen Mordpläne geschmiedet werden oder ein Umsturz organisiert wird, fällt Running Meph unter das Recht auf freie Meinungsäußerung.«
    »Verstehe«, entgegnete Stephans. »Was ist aus den Gesprächen mit Reykjavik geworden? Sie wollten doch Druck auf die Regierung ausüben, dass die Seite gelöscht wird.« Der Server, von dem aus Running Meph betrieben wurde, stand in Island.
    Westphals Gesicht verdunkelte sich. »Der isländische Ministerpräsident lässt mich wissen, dass ihm leider die Hände gebunden seien. Er hat leicht reden. In Island gab es keine zweitausend Tote.« Die Hände in Westphals Taschen bewegten sich.
    »Werden Sie ihn umstimmen können?«
    »Ich bin nicht optimistisch. Sein Land hat einen Ruf als Datenschutzoase zu verteidigen. Und selbst wenn ich die Isländer irgendwann zur Kooperation bewegen kann, verlieren wir

Weitere Kostenlose Bücher