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- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken

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Titel: - Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Radloff
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bekam.
    Er hatte schnell begriffen, dass sie ihn nicht in ihrer Nähe haben wollte. Wenn sie einander im Flur begegneten, hielt Rebekka so großen Abstand, als hätte er eine ansteckende Krankheit. Manchmal blieb ihre Zimmertür den halben Tag lang geschlossen. Meph konnte sich nicht vorstellen, was sie in dieser Zeit machte, denn sie war ständig offline. Ihre Antiquität von einem Pad – es besaß nicht einmal einen 3D-Projektor – lag fast immer ausgeschaltet auf der Kommode im Flur. Rebekka steckte es nur ein, wenn sie nach draußen ging. Mephs einziger Trost war, dass sie ihn unter diesen Umständen nicht bei der Terrorhotline melden konnte, solange sie zu Hause war.
    Allerdings war Rebekka oft draußen, denn für Meph war es viel zu gefährlich, die Wohnung zu verlassen und einzukaufen. Wenn sie losging, sah er ihr durchs Küchenfenster nach, beobachtete sie, wie sie die Straße hinunterging, und sobald sie außer Sicht war, malte er sich aus, wie sie ihn meldete. Wenn sie zurückkam, war sein T-Shirt jedes Mal durchgeschwitzt.
    Denn das war das Beunruhigende an seiner Situation: Meph war Rebekka auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Noch immer jagte ihn das IKM mit aller verfügbaren Bandbreite. Sein Fahndungsbild flimmerte im Stundentakt über die Projektoren im Land, und die Belohnung auf seine Ergreifung war auf eine halbe Million Euro plus ein Essen mit Kruppstahl persönlich gestiegen. Sein Leben lag in Rebekkas Hand. Und dann platzte er an ihrem Duschtag in ihr Schlafzimmer wie der letzte Noob.
    Sie stand schweigend in der Tür. Statt der Jeans, die auf ihrem Bett bereitgelegen hatte, trug sie eine weite Cargohose und ein Oberteil ohne Ausschnitt. Meph gab sich Mühe, zerknirscht auszusehen.
    Sie klopfte an den Türrahmen. »Darf ich reinkommen?«
    Er sah sie verständnislos an. »Es ist deine Wohnung.«
    »Und dein Zimmer. An fremde Türen klopft man an.« Sie trat über die Schwelle. Der Duft von frisch gewaschenem Haar und Nivea begleitete sie.
    »Ich weiß. Hör zu, es tut mir leid. Es wird nie wieder vorkommen. Du bist doch nicht nachtragend, oder?«
    »Doch.«
    Meph tastete nach dem Griff des Küchenmessers, das unter dem Schlafsack versteckt war, aber Rebekka sprach weiter, bevor er etwas Unüberlegtes tun konnte. »Aber ich bin nicht grausam. Trotzdem, die letzte Warnung: Wenn du noch einmal unangemeldet in mein Zimmer stürmst, fliegst du raus.«
    »Alles klar. Danke. Obwohl es irgendwie schade ist – du siehst gut aus.«
    Jetzt hatte er sein Blatt doch noch überreizt. Rebekka machte ein Gesicht, als wollte sie ihm beide Arme auskugeln. »Bitte reg dich nicht schon wieder auf«, sagte er hastig. »Ich wollte dir nur ein Kompliment machen. Ich tu es auch nie wieder.«
    Offenbar war das auch nicht die richtige Antwort gewesen, denn Rebekkas Gesichtsausdruck wurde noch feindseliger. »Was ist jetzt?«, knurrte sie.
    »Hä?«
    »Wolltest du nicht eben irgendwas von mir?«
    »Ach so. Genau. Es ist ein neuer Beitrag auf Running Meph erschienen, den du unbedingt lesen musst. Ein Auszug aus einem internen Memo der Untersuchungskommission. Total random.« Er hielt ihr das eGalaxy entgegen.
    Rebekka rührte sich nicht. »Erst muss ich was essen. Der Hunger macht mich fertig.«
    »Mich auch, aber es geht nicht anders. Das IKM überprüft, wie viel Geld du ausgibst. Wenn ihnen auffällt, dass du für zwei Personen einkaufst, obwohl du alleine lebst, schöpfen sie Verdacht.«
    »Das erzählst du mir ständig. Genauso, dass pro Tag nur einer von uns duschen darf, damit ich nicht mehr Wasser verbrauche. Ich habe in Kriegsgebieten komfortabler gelebt als hier in meiner eigenen Wohnung.«
    »Berlin ist ein Kriegsgebiet«, entgegnete Meph. »Außerdem ist es meine Paranoia, die uns beide am Leben hält. Bei Cassandro war ich nicht paranoid genug, und ich habe sie direkt zu ihm geführt.«
    »Trotzdem erklärt das nicht, woher du so gut über die Tricks Bescheid weißt, mit denen sie arbeiten. Bist du wirklich noch nie vom IKM gejagt worden?«
    »Nur in Gedanken.«
    Er erklärte nicht, was er damit meinte, und Rebekka verließ wortlos den Raum. Kurze Zeit später drang das Klappern von Geschirr an sein Ohr. Sie benahmen sich wie ein altes Ehepaar, fand Meph. Und er wurde den Verdacht nicht los, dass Rebekka das Gleiche dachte.

    Die Vorhänge waren zugezogen, die Fenster geschlossen, und der Fernseher lief mit Ton im Hintergrund. Sie aßen beide vom selben Teller, damit der Abwasch weniger Wasser verbrauchte.

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