- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
»Ich weiß doch nicht einmal, wonach ich genau suche. Wenn du glaubst, das Rätsel sei so einfach, dann finde die Lösung doch selber.«
»Ich behaupte doch nicht, dass du … Verdammt, Meph, du weißt so gut wie ich, dass das hier nicht mehr lange gut gehen kann. Jeden Tag steigt das Risiko, dass ein Nachbar dich im Fenster sieht oder dass das IKM sonstwie Verdacht schöpft. Oder sie wählen das Haus für eine ungezielte Durchsuchung aus. In Mitte durchkämmen sie mittlerweile ganze Straßenzüge.«
»Und genau darum muss ich etwas unternehmen. Ich will dir keine Minute länger als nötig zur Last fallen, das musst du mir glauben.«
Wieder sah Rebekka ihn auf diese misstrauische Art und Weise an. »Das sagst du doch nur, weil du glaubst, dass ich es hören will.«
»Und wenn es so wäre?«
»Dann machst du dir immer noch Gedanken, ob du mir vertrauen kannst?«
»Du behandelst mich wie einen Fremden. Warum sollte ich dir vertrauen?«
Seine Worte trafen Rebekka härter, als er erwartet hatte. Einige Sekunden lang starrte sie ihn aus dunklen Augen an, dann stand sie auf und wollte aus dem Zimmer fliehen. Meph hielt sie fest. Rebekkas Kiefer mahlten, als sie die fremden Finger um ihr Handgelenk betrachtete. »Ich verstecke dich bei mir«, flüsterte sie. »Ist das nicht genug?«
»Nein.« Meph spürte die Sehnen in ihrem Arm arbeiten, aber sie riss sich nicht los, obwohl sie es gekonnt hätte. »Ich muss wissen, wieso. Wieso riskierst du alles für mich, obwohl du mich so verachtest, dass du nicht mal zehn Minuten mit mir im selben Zimmer sein kannst?«
»Ich …« Ihre Hand zitterte.
Er stand auf und machte einen Schritt auf sie zu. Er spürte Rebekkas Puls, sah das Muster ihrer Iris und bemerkte zum ersten Mal, dass ihre Augenbrauen gefärbt waren. Eigentlich hatte sie schwarze Haare.
»Mein Leben lang habe ich andere Menschen kennengelernt, indem ich ihr Profil studiere«, erklärte er. »Ich schaue mir auf MyLife an, welche Filme sie mögen und wie ihr Beziehungsstatus ist, und dann bilde ich mir ein, dass ich weiß, wer sie sind. Auch bei dir habe ich es versucht, aber du scheinst der einzige Mensch auf der Welt zu sein, der MyLife boykottiert. Und das Seltsame ist …« Er stockte. Sein Mund war trocken, und er fühlte sich, als müsste er sich gleich übergeben. Das war schlimmer als der Entzug von den Rize, aber auch wieder ganz anders. Ach, Maria …
Aber dann fiel ihm ein, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb, um Dinge zu tun, die er später bereuen konnte.
Er zog sie an sich und presste seinen Mund auf ihren. Rebekkas Lippen schmeckten warm und süß, und nach einem zögerlichen Moment erwiderte sie seinen Kuss auf stürmische Weise. Sie schlang die Arme um Mephs Taille und trug ihn ins Schlafzimmer, ohne den Mund von seinem zu lösen.
Die Nacht war schwarz und still. Meph hockte im Schneidersitz auf dem Sofa, und im Widerschein des Pads auf seinem Schoß sah Rebekka, dass er sich nicht angezogen hatte. Er bemerkte sie nicht, und so blieb sie in der Tür stehen und beobachtete ihn beim Surfen.
Meph liebte das Netz. Seine Finger glitten mit der gleichen Zärtlichkeit über den Touchscreen, mit der sie ihre Haut berührt hatten, und ein Lächeln glättete die Schatten unter seinen Augen. Er sah glücklich aus. Rebekka hoffte, dass es nicht nur am Netz lag.
Mit einer sanften Geste rief Meph seine MyLife-Seite auf. Rebekka erkannte sie an seinem Bild und am leeren Fenster seines Livestreams. Es erstaunte sie, wie er alles um sich herum vergessen konnte, als könne er seine Sorgen einfach in einen Koffer schmeißen und unters Bett schieben. Mehr noch irritierte sie, dass sie ihn dafür bewunderte.
»Willst du die ganze Nacht da stehen bleiben?«
Meph drehte den Kopf und machte eine einladende Bewegung. Nach einer Schrecksekunde löste Rebekka sich vom Türrahmen, hüllte sich enger in die Bettdecke und setzte sich neben ihn. »Wie hast du mich bemerkt?«
Meph zeigte auf ein Fenster in der Projektion. Darin war das Bild seiner Padkamera zu sehen. Links neben ihren blass illuminierten Gesichtern gähnte der leere Türrahmen.
»Du hast mich überwacht.«
»Du mich doch auch.«
»Ich habe dich angesehen. Das ist ein Unterschied.«
»Wenn du das sagst … Hat dir denn gefallen, was du gesehen hast?« Grinsend hob er sein Pad hoch.
Rebekka drückte es zurück auf seinen nackten Schoß. »Ganz ruhig, Staatsfeind. Zieh dir lieber was an, bevor du dich verkühlst.«
»Ich schlüpfe einfach zu
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