- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
dir.« Ehe sie es verhindern konnte, hatte er seine Hand unter ihre Decke geschoben und tatschte an ihrem Bein herum. Dann stutzte er, zog den Arm wieder hervor und schlug die Decke zurück. Rebekka versuchte, ihn daran zu hindern, aber es gelang ihr nicht, die Zipfel festzuhalten.
»Du bist wieder angezogen«, sagte er verblüfft.
»Ich mag es eben nicht, nackt rumzulaufen«, fauchte Rebekka. Sie entriss ihm die Decke und wickelte sich bis zum Hals darin ein.
»Wieso? Du musst nichts mehr vor mir verbergen. Wir haben es miteinander getrieben!«
Allein für sein anzügliches Grinsen hätte sie ihm am liebsten eine geknallt. »Es ist eben nicht jeder zum Livestreamer geboren, du dämlicher Vorzeiger!«
Endlich schien Meph zu kapieren, dass ihr das Thema unangenehm war, und er hob die Hände in der Unschuldsgeste des Fußballers, der den Gegenspieler, der sich vor Schmerzen auf dem Boden wälzt, auf keinen Fall gefoult haben will. »Entschuldige. Ich sage ja gar nichts mehr. Soll ich dir Helm und Weste holen, damit du vor mir sicher bist? Aber du weißt hoffentlich, was dir dann alles entgeht …« Wieder ging sein Pad in die Höhe.
Mit seinem Gehabe gelang es ihm tatsächlich, sie zum Lachen zu bringen. »Ich sage dir Bescheid, sobald ich vergesse, wie er aussieht«, erwiderte Rebekka, und nach kurzem Zögern lehnte sie sich an Mephs Schulter. Zum ersten Mal bereute sie es nicht, ihn hierher gebracht zu haben.
Er legte den Arm um sie. »Jederzeit, Baby. Darf ich dich trotzdem fragen, warum du …«
»Bitte nicht. Wir sind einfach verschieden.«
»Was du nicht sagst.«
Schweigend hingen sie ihren Gedanken nach. Rebekka fiel auf, dass sie minutenlang keine Sirene mehr gehört hatte. Zum ersten Mal seit fast zwei Wochen war Berlin zur Ruhe gekommen. Die Stadt hatte sich zum Schlaf zusammengerollt, den Kopf ins eigene Fell gekuschelt und träumte vom Frühjahr, in dem all das nur noch eine dunkle Erinnerung sein würde.
Mephs Brust hob und senkte sich, als das Foto einer jungen Frau über seine MyLife-Pinnwand glitt. Auf ihre ausladenden Brüste hatte sie »Befriend me!« geschrieben. Sie wanderte den Strom der Grüße und Kommentare hinauf, erreichte den oberen Projektionsrand und verschwand wie ein Stück Treibgut hinter einem Wasserfall.
»Vorhin ist ein alter Traum von mir in Erfüllung gegangen«, sagte er leise.
Rebekka zuckte zusammen. »Du wolltest schon immer mit mir ins Bett?«
»Wenn ich dich gekannt hätte, sicherlich.« Er bemerkte nicht, wie sie erleichtert die Luft ausstieß. »Nein, ich rede davon, dass ich in den Top Ten der beliebtesten Menschen auf MyLife bin. Weltweit.«
»Gratuliere.« Rebekka betrachtete sein Gesicht, wozu sie sich fast den Hals verrenken musste. »Aber warum siehst du dann aus wie dieser Littek, wenn sie ihn fragen, warum du immer noch auf freiem Fuß bist?«
Meph seufzte. »Weil ich nichts davon habe. Auf mein Profil kann ich nur unter meiner eigenen Identität zugreifen. Dazu müsste ich das A-Modul abschalten, und dann spüren sie mich auf. Sie zwingen mich, Gast auf meiner eigenen Seite zu bleiben.«
»Na, und? Du siehst doch, was die anderen dir schreiben.«
»Und? Ich kann keine privaten Nachrichten lesen, keine Antworten schreiben, keine Friends bestätigen. Es ist zum Kotzen! Die Netzgemeinde wartet darauf, mich zu feiern, aber wenn ich einen Fuß auf die Bühne setze, kriegt mich das IKM bei den Eiern.«
»Dafür wirst du auf Running Meph gefeiert«, wandte Rebekka ein.
»Das ist nicht dasselbe. Running Meph ist meine eigene Seite, und in ein paar Wochen wird sich niemand mehr dafür interessieren. MyLife dagegen … Dort drücke ich mich aus. Die ganze Welt tut es. Mein Leben findet dort statt.«
»MyLife ist eine Webseite.«
»Das sagst du nur, weil du keine Friends hast.«
Sie verdrehte die Augen. »Ich sage das, weil ich nicht begreife, wie es dir dermaßen wichtig sein kann, von Menschen geliebt zu werden, die du niemals getroffen hast.«
»Und ich begreife nicht, wie du das nicht begreifen kannst. Wünschst du dir nicht, dass jeder Mensch deinen Namen kennt?« Er deutete ihr Schweigen als Zustimmung. »Na, also.«
»Wer ist eigentlich Maria?«, wechselte Rebekka das Thema.
»Wer?«
Sie hätte es nicht beschwören wollen, aber jetzt war es Mephs Körper, der plötzlich unter Spannung zu stehen schien. »Maria. Du hast ihren Namen im Schlaf gesagt.«
»Habe ich? Random«, meinte er leichthin. Vielleicht hatte sie sich getäuscht.
»Erzählst
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