- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
Stephans.«
»Und was verlangen Sie dafür?«
»Gar nichts. Sie sollen lediglich die Ephraim-Dateien ruhen lassen.«
»Das ist alles?« Stephans wollte seinen Worten einen höhnischen Tonfall verleihen, aber er verlor sich auf halbem Weg zu seinen Lippen.
»Das ist alles. Ich hatte gehofft, Sie würden es nicht so weit kommen lassen, aber wie es aussieht, tun Sie gewisse Dinge nicht für Ihr Land, sondern nur für Ihr Ego.«
Einen Augenblick lang war Stephans ernsthaft versucht, Litteks Angebot anzunehmen, auch wenn er wusste, dass er sich damit am Ende doch nur kaufen ließe. Dass er es nicht tat, war nicht seiner Prinzipientreue geschuldet, sondern seinem Misstrauen. Littek war von Ehrgeiz zerfressen und hatte sich in wenigen Jahren zu Westphals rechter Hand emporgedient. Wenn er bereit war, im Streit mit einem einfachen Kommissar klein beizugeben, dann gab es etwas, vor dem er größere Angst hatte als vor einem befleckten Ruf. Stephans glaubte keine Sekunde lang an diese Gefahr für das Land, von der Littek faselte. Der Staatssekretär war Karrierist, kein Patriot. Aber was versprach er sich dann davon, Stephans Dateien wegzunehmen, die er längst gelesen hatte? Mit ihrem Inhalt konnte es jedenfalls nichts zu tun haben. Die Ephraim-Dateien hatten Stephans Erwartungen in jederlei Hinsicht enttäuscht. Sie waren nicht mehr als eine Sammlung bedeutungsloser Fakten und halbgarer Spekulationen. Falls Littek irgendwelchen Dreck am Stecken hatte, enthielten die Dateien nicht den kleinsten Hinweis darauf. Es sei denn …
Littek räusperte sich. »Ich warte.«
»Ich denke darüber nach«, brummte Stephans. »Morgen gebe ich Ihnen Bescheid.«
»Sie haben Bedenkzeit, bis die Sendung vorbei ist.«
Auf Litteks Knopfdruck hin entfaltete sich sein Pad wie der Flügelschlag eines Schmetterlings. Der Staatssekretär wusste, wie man jemandem das Gefühl gab, er existiere für ihn nicht.
Auf der Suche nach einem Platz möglichst weit von Littek entfernt landete Stephans hinter den Kulissen. Durch den Spalt zwischen zwei Greenscreens hindurch sah er Giannas Hinterkopf und Westphals graue Schläfe. Ein Kontrollprojektor übermittelte ihre Gesichter, die in diesem Augenblick live an Pads und Fernseher im ganzen Land übertragen wurden.
Kurz entschlossen machte Stephans ein paar Fotos vom Studio und schickte sie an Lisa. In den letzten Wochen hatte er seine Kinder praktisch nicht gesehen. Wenn er schon keine Zeit für sie hatte, konnte er ihnen wenigstens etwas liefern, womit sie bei ihren Friends angeben konnten. Natürlich ärgerte er sich gleich darauf über sich selbst. Es wurde ihm allmählich zur Gewohnheit, seine Überzeugungen über Bord zu werfen.
Als er sich in die Liveübertragung einklinkte, musste er feststellen, dass die Sendung mit sieben oder acht Sekunden Verzögerung ausgestrahlt wurde. So klappte er das Siemens wieder zu und lauschte den unverstärkten Originalstimmen. »Herr Minister, trotz all Ihrer Bemühungen haben Sie den Terroristen, der sich selber Meph nennt, bislang nicht fassen können. Verübeln Sie es den Menschen, dass sie Angst um ihr Leben haben?«
»Erlauben Sie, dass ich Sie korrigiere, Frau Messina«, antwortete Westphal ruhig. »Bislang ist nicht erwiesen, dass Effenberger tatsächlich ein Terrorist ist, und bis dahin gilt die Unschuldsvermutung. Zu Ihrer Frage: Natürlich verstehe ich die Sorge meiner Mitbürgerinnen und Mitbürger, doch ich bitte darum, die Lage realistisch zu beurteilen. Wir sprechen von einem einzelnen Gefährder mit vergleichsweise niedrigem Risikoindex. Es besteht kein Anlass zur Sorge. Nichtsdestotrotz arbeiten meine Mitarbeiter und ich Tag und Nacht daran, ihn zu fassen.«
»Bislang ohne Erfolg – trotz eines aus dem Ruder gelaufenen Großeinsatzes mit diversen Verletzten.« Gianna ging Westphal schärfer an als beim letzten Mal.
»Wir sind auf einem guten Weg. Darum möchte ich die Bevölkerung an dieser Stelle bitten, nicht in Panik zu verfallen. Genau das ist es, was unsere Feinde wollen. Hamsterkäufe und freiwillige Ausgangssperren sind Schritte in die falsche Richtung. Vielmehr wünsche ich mir, dass alle Bürger morgen wie an jedem anderen Tag zur Arbeit gehen.«
»Aber viele Menschen glauben nicht, dass es ein Tag wie jeder andere wird. Rufen wir uns die Abstimmung zu Beginn dieser Sendung in Erinnerung. Zwei Drittel unserer Zuschauer halten Meph für eine große oder sehr große Bedrohung ihrer Sicherheit. Schätzen Sie das Gefahrenpotenzial des
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