- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
Gedanken abzuschweifen oder es sich zumindest nicht anmerken zu lassen.
»Na gut, ich nehme deine Entschuldigung an«, erklärte Conny nach ein paar Minuten. »Aber wehe, du wagst es noch einmal, so mit mir zu reden.«
»Ja, Liebes. Ich werde es mir zu Herzen nehmen.« Er wollte ihr den Arm um die Schulter legen, doch sie ließ es nicht zu.
»Ich meine es ernst! Das nächste Mal kommst du nicht so leicht davon.«
»Vier Wochenenden lang die Kinder ins Bett zu bringen nennst du leicht? Das ist grausam!« Das war der Nachteil der Geiselnehmer-Strategie: Stephans nahm sich damit jeden Verhandlungsspielraum. Wenigstens erfüllte seine gespielte Entrüstung ihren Zweck. Als er Conny abermals an sich zog, ließ sie es geschehen.
Früher hatte Stephans sich manchmal schäbig gefühlt, wenn er seine Verhörtechniken im Privatleben einsetzte. Er hatte Fenninger davon erzählt, aber der hatte ihn nur ausgelacht. »Hanno, du bist ein Trottel«, hatte er gesagt. »Jeder Beruf bringt einen Vorteil mit sich. Der Bäcker isst morgens frische Brötchen, der Techstore-Mitarbeiter bekommt die neusten Pads zum Einkaufspreis, und die Journalisten wissen schon jetzt, was in einer Stunde in den Newsblogs zu lesen sein wird. Und ein Kommissar des IKM weiß eben, wie man ein Gespräch so führt, dass der andere glaubt, die Oberhand zu behalten. Kein Mensch wirft dem Bäcker oder dem Schreiberling seine Pfründe vor. Wofür schämst du dich also?«
Connys Stimme riss Stephans aus seinen Gedanken. »Hast du mit deiner Mutter geredet?«
»Lass uns später drüber reden. Im Moment möchte ich lie…«
Die Tür flog auf, und Tim stürmte heulend ins Zimmer. Hinter ihm gellte Lisas Stimme quer durch den Flur: »Er lügt, ich habe überhaupt nichts damit zu tun!«
»Gehörst du nicht bald ins Bett, kleiner Mann? Hier, Papa kümmert sich um dich.« Conny schob Tim in Richtung ihres Mannes und grinste. Stephans verdrehte die Augen.
Anderthalb Stunden später schloss er behutsam die Kinderzimmertür hinter sich und ging die Treppe hinunter. Der große Projektor im Wohnzimmer lief auf halber Lautstärke. Conny sah nicht hin, sondern war in ihr Pad vertieft. Als er sich neben ihr aufs Sofa fallen ließ, klappte sie es eine Spur schneller als nötig zu. »Schlafen sie?«
»Ich habe Tim angedroht, Paddy zur Adoption freizugeben. Dann war Ruhe.«
Stephans wollte Conny von dem Fotoalbum erzählen, doch in diesem Moment brachte eine Burgerreklame seinen Magen zum Knurren. »Es ist noch Auflauf da. Soll ich ihn dir aufwärmen?«
Conny stand auf, ohne seine Antwort abzuwarten. Ihr Pad nahm sie mit.
Der Auflauf – Nudeln, Pilze, Sahnesoße – schmeckte hervorragend. Conny besaß ein Talent, das Stephans völlig abging: Sie konnte Speisen abschmecken. Heute hatte er allerdings so großen Hunger, dass er sich selbst von Dosenravioli einen Nachschlag geholt hätte. Während sich die zweite Portion im Mikrowellenherd drehte, brachte er zwei Flaschen Berliner Kindl ins Wohnzimmer. Als Conny es sah, runzelte sie die Stirn.
»Keine Gläser? Wenn das deine Mutter sieht.«
Stephans öffnete den Mund, als wollte er etwas entgegnen, überlegte es sich dann aber scheinbar anders und kehrte in die Küche zurück. Er ließ die beiden Biergläser auf der Anrichte stehen und begann mit einer raschen Durchsuchung der Küchenschränke. Das Summen der Mikrowelle übertönte das Türenklappern.
Connys Pad lag hinter der Kaffeedose. Kein schlechtes Versteck; die Dose war rot und silbern, genau wie ihr Ssangyong FemOn. Stephans klappte es auf. Auf halbem Weg bekam er Skrupel und schloss es wieder. Es war sein Beruf, anderen Leuten nachzuspionieren, aber Conny war nicht irgendjemand. Andererseits: Musste er nicht wissen, was sie ihm verheimlichte, gerade weil sie seine Frau war?
Er wollte das FemOn soeben zum zweiten Mal aufklappen, als ein lautes Ping ertönte. Der nächste Gang war fertig. »Was ist denn jetzt mit den Gläsern?«, rief Conny aus dem Wohnzimmer.
Stephans legte ihr Pad hinter die Kaffeedose zurück, nahm sein Essen und kehrte zurück ins Wohnzimmer. Conny wartete, bis er es sich bequem gemacht hatte, bevor sie ihn daran erinnerte, dass er die Gläser vergessen hatte.
Ein paar Minuten später schob er den leeren Teller von sich und ließ sich zufrieden ins Polster sinken. Im Fernsehen lief gerade Werbung für die Antiterrorhotline. »Mein Nachbar verhält sich auffällig. Wem kann ich mich anvertrauen?«, fragte in besorgtem Tonfall ein Mann,
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