- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
Minuten und viel warmes Wasser später humpelte er zurück in den Flur. Seine Füße stachen wie von tausend Stecknadeln.
Vor der Garderobe wartete Lisa auf ihn. Sie hielt seinen Dienstausweis in der Hand. »Papa, darf ich mir den hier ausborgen?«
»Ich freue mich auch, dich zu sehen, meine Kleine. Wofür brauchst du ihn denn?«
»Die anderen in meiner Klasse lachen mich immer aus, wenn ich erzähle, dass du fürs IKM arbeitest und Terroristen jagst. Sie behaupten, ich lüge. Aber wenn ich ihnen das hier zeige, müssen sie mir glauben.«
»Ach so. Ich dachte schon, es geht um etwas Wichtiges.« Er wollte ins Wohnzimmer wanken, aber Lisa verstellte ihm den Weg und stemmte die Fäuste in die Hüften. Sie kam eindeutig nach ihrer Mutter.
»Es ist wichtig! Natalie hat einen Clip auf ihrem Pod, in dem ihr Vater ihr das Cockpit von einem echten Flugzeug zeigt. Und meine anderen Friends haben auch alle Videos davon, was ihre Eltern machen. Nur über mich machen sie Witze, weil du mir nie etwas von deiner Arbeit mitbringst.«
»Du sollst nicht damit angeben, was deine Eltern machen. Was soll ich dir überhaupt mitbringen? Einen Gefährder? Willst du den mit in die Schule nehmen, in Handschellen und so?«
»Nein, das hier reicht.« Sie wedelte mit dem Ausweis herum.
»Na, dann bin ich ja beruhigt.« Stephans klemmte sich die quiekende Achtjährige samt Ausweis unter den Arm und stapfte mit ihr ins Wohnzimmer. Dort ließ er sich aufs Sofa fallen und bugsierte sie auf seinen Schoß.
»Lisa, mein Dienstausweis ist kein Spielzeug«, sagte er ernst. »Ich darf ihn nicht einfach verleihen.«
»Ich brauche ihn ja auch nur bis morgen Abend.«
»Und wie soll ich dann morgen zur Arbeit gehen? Ohne Ausweis kann ich nicht ins Ministerium. Wenn ich es trotzdem versuche, denken meine Kollegen womöglich noch, dass ich ein Gefährder bin.«
»Dann komm doch einfach in der großen Pause auf den Schulhof, da gebe ich dir den Ausweis zurück. Außerdem kannst du dann endlich mal ausschlafen. Oma sagt, du arbeitest zu viel.«
Als Erwiderung brummte Stephans etwas Unverständliches.
»Was?«
»Hör mal, Lisa, das klingt wirklich verlockend, aber leider wird daraus nichts. Dieser Ausweis ist so wichtig, dass ich ihn niemand anderem geben darf. Nicht einmal meiner Tochter. Ich kriege sonst großen Ärger.«
»Mehr, als du gerade mit Mama hast?«
Er musste lachen. »Auf jeden Fall eine Menge. Also?«
Widerstrebend reichte Lisa ihm den Ausweis, ließ ihn aber noch nicht los. »Dafür versprichst du mir, dass du mir etwas von deiner Arbeit mitbringst, was ich in der Schule zeigen kann.«
»Versprechen kann ich es nicht. Aber ich werde sehen, was ich tun kann.«
»Wenn du es nicht machst, streiche ich dich von meiner Friends-Liste!«
»Meinetwegen, solange du mir nicht die Freundschaft kündigst.«
»Aber das habe ich doch … He!«
Stephans nutzte die Gelegenheit, um ihr den Ausweis abzunehmen und erst Lisa und dann sich selbst hinzustellen. Die Stecknadeln waren weniger geworden, und er konnte wieder halbwegs normale Schritte machen. Prompt rannte er Tim über den Haufen, der plötzlich vor ihm stand. Er nahm nicht einmal im Fallen den Blick von seinem Pad. Erst als er auf dem Hintern landete, sah er verdutzt auf.
»Tim!« Erschrocken zog Stephans seinen Sohn auf die Beine. »Du musst beim Laufen nach vorne schauen!«
»Nicht so doll. Du machst Paddy kaputt!« Tim angelte nach seinem Pad, das ihm an einem Band um den Hals baumelte, und fuhr hektisch mit dem Fingern über den Bildschirm.
»Ich habe dir schon hundert Mal gesagt, du sollst Paddy beim Laufen zuklappen.« Stephans war es längst leid geworden, sich darüber lustig zu machen, dass Tim seinem Pad einen Namen gegeben hatte.
»Was ist denn das?« Lisa hob einen Gegenstand auf, der ihrem Bruder bei dem Zusammenstoß heruntergefallen war.
Tim sah nicht einmal hin. »Oma sagt, da sind alte Fotos drauf, aber Paddy kann das Signal nicht finden. Wo schaltet man es ein, Dad?«
Lisa machte ein abfälliges Geräusch. »Du weißt aber auch gar nichts. Das Ding ist so alt, bestimmt funktioniert es noch mit Kabel. Du musst nur die Buchse suchen.«
Sie drehte das Album in den Händen. Halb belustigt, halb irritiert nahm Stephans es ihr ab. »Früher hatten die Menschen Angst vor Krieg und Arbeitslosigkeit, aber eure Generation fürchtet sich nur noch vor dem Netzausfall, wie?«
Er öffnete den Druckknopf, der den Einband zusammenhielt, schlug das Fotoalbum auf und hielt es
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