- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
wäre?«
Meph kratzte sich am Arm. »In den Newsblogs sagen sie, dass es eine einzelne Verrückte war, die auf uns geschossen hat.«
»Und das glaubst du?«
»Du klingst wie einer von diesen Spinnern, die eine gigantische Verschwörung wittern. Westphal hat das IKM aufgebaut, um die Macht an sich zu reißen! Er opfert jeden, der sich ihm in den Weg stellt! Diesen Quatsch glaubst du doch nicht ernsthaft.«
»Du anscheinend nicht.«
»Natürlich nicht. Ich kenne den Unterschied zwischen Spiel und Realität, und das hier ist nicht Thought Police .«
»Noch nicht.«
Meph betrachtete die leere Projektion seines Pads. »Ist das der Grund, warum du nicht über den Standardkanal bei mir anrufst? Weil du an die Große Netzverschwörung glaubst und daran, dass sie dir auf den Fersen sind?«
David antwortete nicht sofort. Mit jeder Sekunde, die er schwieg, wuchs in Meph die Befürchtung, er könnte zu weit gegangen sein. Wenn David sich beleidigt fühlte, würde er ihn möglicherweise aus der TP -Runde werfen. Dann würde Meph nie erfahren, was zwischen den Seiten von 1984 versteckt war.
»Lass gut sein«, erwiderte David schließlich. »Es ist eben jeder auf seine eigene Art irre.«
»Sehe ich auch so. Übrigens, was ist denn nun in den Seiten von dem Buch versteckt gewesen?«
»Bei Thought Police ? Das erfährst du beim nächsten Mal, zusammen mit den anderen.«
»Du warst gerade im Begriff, es zu sagen, als die Verbindung abbrach«, schmollte Meph. »Warum beendest du deinen Satz nicht einfach jetzt?«
»Als du weg warst, haben wir nicht weitergespielt. Und jetzt soll ich dir etwas verraten, ohne dass die anderen beiden es mitkriegen?«
Meph verzog das Gesicht. »Dann eben nicht.«
»Jetzt guck nicht so enttäuscht. Fair ist fair.«
»Woher weißt du, wie ich gucke?«
Das Rätsel war nicht schwer zu lösen. Mephs Knopfkamera war über den Tisch gerollt, und das Objektiv zeigte direkt auf ihn. »Spinnst du? Raus aus meinem Livestream!«
David lachte. »Er steht offen im Netz.«
Meph ließ die flache Hand auf die Kamera fallen. Eine Gehäusekante grub sich schmerzhaft in seine Handfläche. »Wenn ich dich nicht sehen kann, sollst du mich auch nicht sehen. Fair ist fair.«
Davids Lachen erstarb. Mit den Worten »Wie du willst« unterbrach er die Verbindung.
Olli war online, ignorierte aber Mephs Anrufe. Nach dem zehnten oder zwölften Versuch gab Meph auf, verließ seine Kabine und ging nach vorne. Olli stand hinter dem Tresen und übte Raketensprünge. Hinter seiner 3D-Brille flackerten Lichter. Meph räusperte sich ein paar Mal. Als nichts geschah, stellte er sich neben Olli und tippte ihm auf die Schulter. Olli schob den Kopfhörer zur Seite, ohne dass seine Spielfigur aus dem Takt geriet. »Was?«
»Kannst du mir einen Gefallen tun?«
»Du weißt, Anschreiben läuft bei mir nicht.«
»Darum geht‘s nicht.«
Olli antwortete nicht sofort. Auf dem Kontrollmonitor beobachtete Meph, wie seine Spielfigur hochsprang, aus der Luft eine Rakete auf den Boden abschoss und sich von der virtuellen Druckwelle auf einen Mauervorsprung katapultieren ließ, der mit einem gewöhnlichen Sprung unerreichbar gewesen wäre. Oben angekommen kehrte Olli ansatzlos nach unten zurück und ritt eine neue Rakete. Es ging so schnell, dass man Kopfschmerzen riskierte, wenn man zu lange hinsah.
»Was ist denn jetzt?«, fragte Meph.
»Jetzt wart‘ doch mal ‘ne Sekunde.«
Meph hatte Lust, eine Packung Kaugummi zu klauen, um Olli eins auszuwischen. Natürlich ließ er es bleiben. Wenn die Videokameras einen Warentransfer ohne gleichzeitigen Zahlungsvorgang registrierten, würden sie Alarm schlagen. Also vertrieb Meph sich die Zeit damit, Neuzugänge in Ollis Trophäensammlung zu suchen. Aber die projizierten Pokale, Siegertreppchen und Medaillen, die sich unter der Decke drehten, kannte er alle schon. Offenbar schnitt Olli in letzter Zeit nicht mehr so gut ab.
»Hast du das hier schon gesehen?« Olli hatte endlich sein Spiel auf Pause gestellt und rieb sich die Augen, während er auf seinem Pad einen Nachrichtenclip startete. »Die haben sie identifiziert.«
Es war ein Hintergrundbericht über den Beinaheabschuss von Flug 799. Zuerst kam ein kurzes Interview mit Marcos Brent, einem smart wirkenden Piloten aus dem deutschen AfPak-Kontingent, der einen der beteiligten Tornados gesteuert hatte. Dann wurde ein verwaschenes Bild der »irren Todesschützin« eingeblendet. Rebekka Meyer war eine dieser Personen, die man glaubte,
Weitere Kostenlose Bücher