Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
gerüchteweise aus Bad Aussee …‹ Hausaufgaben gemacht, Herr
Redakteur! Berenikes Hand knallte auf das Radio, traf den Schalter, die Stimme
verstummte. Rose sah sie überrascht an.
Mit dem Tee setzte sich Berenike an den Küchentisch. Eine
Zeitung lag aufgeschlagen da. Berenike blätterte sie gelangweilt durch. Ihr
Blick fiel auf ein Foto. Damn, das zeigte Sieghard Lahn! ›Großer Auftritt bei
Literatur und Karma‹, las sie. Ein dunkler Fleck auf seinem Arm fiel ihr auf,
sie betrachtete das Foto genauer. Wahrscheinlich war nur die Reproduktion des
Fotos miserabel. »Eine Lupe, Mama, bitte!«
»Was?«
»Eine Lupe. So was hast du doch?« Rose rumorte in der
Tischlade, förderte Gummiringerl und einen Kalender aus dem Jahr 1986 zutage.
Sie reichte Berenike ein dreckverschmiertes Vergrößerungsglas. Sicher auch so
ein Erbstück der Großeltern. Sie musste ein wenig herumprobieren, bis sie etwas
sah mit dem Gerät. Und dann war sie verblüfft. Der schwarze Fleck sah wie eine
Tätowierung aus. Lahn hatte sie doch auch bei der Lesung in Aussee protzig
gezeigt. In ihren müden Gehirnwindungen arbeitete es. Sie suchte nach den
richtigen Puzzleteilen. Die Attacke letzte Nacht. Der Arm, der sie festgehalten
hatte. Mit dem dunklen Fleck. Alles deutete darauf hin, dass Lahn das gewesen
war. Aber, what the hell, warum tat er das?
Auch mit der Lupe war nicht genau zu erkennen, was das Tattoo
darstellen sollte. Dazu die Beschimpfung als Schnüfflerin, womöglich war er der
Schreiber des Drohbriefs. ›Geh weg, sonst bist du im Eck!‹ Zum Glück hatte sie
entkommen können, Karate sei Dank. Nie wieder sollte jemand sie anfassen, ohne
dass sie das wollte. Ohne dass sie dem etwas entgegenzusetzen hatte.
Gedankenverloren las sie den Jubelartikel. ›Junger Dichter mit neuen
Ideen … nennt die Dinge hellsichtig beim Namen …‹
»Hast du gehört?« Rose setzte sich neben sie, auf die
vorderste Kante. »Eine Tote im Museumsquartier.«
»Ja, ja.« Der Tee schmeckte fade. Für Eistee dürfte es gerade
reichen, mit viel Zitrone. So einen Tod hatte sie Rolanda wirklich nicht
gewünscht. Aug um Aug, Zahn um Zahn, das galt nicht. Rose sprang auf, rumorte
in der Wohnung herum. Endlich fiel die Eingangstür hinter ihr ins Schloss.
Nach einigen Stunden Schlaf ging es Berenike
deutlich besser. Nur ihr Magen verlangte nach irgendetwas, Karottencremesuppe
vielleicht, die hatte sie früher massenhaft verzehrt. Aber damit war wohl jetzt
nicht zu dienen …
Wie eine alte Frau erhob sie sich. Stieß im Vorzimmer, das
ihre Mutter mit Leidenschaft vollgestellt hatte, dreimal gegen etwas Hartes.
Autsch! Jetzt aber los. Sie drehte das Radio wieder auf. Mittagsjournal. Gierig
trank sie von dem Melone-Kokos-Saft, den sie extra für ihre Bedürfnisse
eingelagert hatte. Vom Balkon gegenüber starrte sie eine Katze ausdruckslos an.
Der Saft rann kühl die Kehle hinunter.
›Der grausige Leichenfund im Museumsquartier erregt weiterhin
Aufsehen‹, meldete der Nachrichtensprecher. ›Die Tote, Rolanda König, war mit
ihrer Agentur für die Nationale Bewegung tätig. Man fragt sich
verständlicherweise, warum die Partei von blutigen Verbrechen verfolgt
wird …‹ Berenike verschluckte sich. Sie hustete und drehte das Radio
lauter. Rolanda tot und Thema in den Nachrichten, das hätte ihr gefallen. Sie
hatte immer für die Medien gelebt. Eine Homestory hier, ein Interview da. ›Ob
der Abschiedsbrief echt ist, steht noch nicht fest. In dem Schreiben nimmt die
Eventmanagerin die Schuld am Tod Rabensteins und Donners auf sich, deren
Leichen kürzlich im Salzkammergut aufgefunden worden sind.‹
Wenn das tatsächlich die Lösung der Mordfälle war …
endlich würde wieder Ruhe einkehren. In Berenikes Gedanken hinein läutete das
Handy. Ein robustes Gerät, was für ein Glück, dass es noch funktionierte.
»Tante Berry, wo bleibst du?« Amélie, die liebe Nichte.
»Ich fahre gleich los«, versprach Berenike.
»Nicht gleich, sofort.«
»Na gut.«
Hektisch suchte Berenike ihre Sachen zusammen. Wenigstens war
nichts aus ihrer Tasche gestohlen worden. Auf dem Tisch lag immer noch die
Zeitung mit Lahns Foto. Dieses Aas. Sein Honorar war sie ihm auch noch
schuldig. Bei ihrer Rückkehr musste sie mit der Bank sprechen, notfalls das
Konto überziehen. Vielleicht hatte der Überfall letzte Nacht nur damit zu tun?
Alles nur ein blöder Zufall? Sie rief die gespeicherten Telefonnummern im Handy
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