Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
auf. Sie brauchte jemanden, der ihr mehr über Lahn erzählen konnte. Tausend
Einträge, die meisten hatte sie seit Ewigkeiten nicht mehr kontaktiert. Anita
Berlacher, sie wusste nicht einmal mehr, wer das war. Eine Kooperationspartnerin
der Agentur vielleicht. Aber halt, das war eine Idee.
»Ninette Georg?«
»Berenike Roither hier, hallo!«
Berenike hatte damals in ihrer Sinnkrise Ninettes
Buchhandlung ›Pures Leben‹ entdeckt und ihr guten Umsatz beschert. Jetzt
versprach Ninette, sich nach einer geeigneten Informationsquelle umzuhören.
Berenike verabschiedete sich dankend. Im Bad schnappte sie sich ein Handtuch.
Dann den Tee aus dem Eiskasten. Sie presste eine Zitrone aus, was für ein
erfrischender Geruch an den Fingerspitzen. Sie kostete, passabel. Das
Sicherheitsschloss der Wohnungstür klemmte, also versperrte sie nur die zwei
anderen Schlösser. Unten auf der Straße empfing sie die Hitze wie ein
Leichentuch, das sich über alles legte.
Auf Selenes altem Fahrrad plagte sich Berenike schwitzend den
Ring entlang. Die Tribünen für das sommerliche Filmfestival am Rathausplatz
wurden bereits aufgebaut.
Plötzlich fiel ihr der Nachwuchs-Mafioso aus dem
Salzkammergut ein, vielleicht steckte er hinter den blöden Scherzen. Der Knilch
hatte jede Menge Tätowierungen, die auf keine hochfeine Herkunft hindeuteten.
Trauer umfasste einmal mehr Berenikes Herz beim Gedanken an Rolanda. Trauer,
auch um das, was niemals war. Vielleicht würden die Kriminalbeamten auch auf
ihre Rivalität untereinander stoßen. Branchen-Gossip, sie konnte sich nicht
vorstellen, dass Typen wie dieser Jansky wirklich auf diese Art und Weise
ermittelten.
Bei der U-Bahn-Station vor der UNO-City warteten
Menschenmassen auf die Busse zu den Bädern. Die letzten Meter radelte Berenike
die Schüttaustraße entlang, an Gemeindebauten vorbei bis zum Gänsehäufl. Jetzt
bitte die Stelle merken, an der man das Fahrrad abgestellt hat! Vor den Kassen
lange Schlangen.
Kaum war sie umgezogen, wollten die Nichten
Wasserball spielen. Amélie, dunkel und mager, das Piercing im Bauchnabel war
neu. Der Großvater hätte seine Überraschungen erlebt mit Selenes älterer
Tochter. Jenny dagegen war wie Selene, brünett und locker, eine Jüngere eben.
Smile, smile, die Bewegung tat Berenike gut. Gegenüber die Skyline, wie international
und modern sich Wien heute gab. Leider mussten sie sich in eine ziemlich dürre,
harte Wiese legen, schon seit Wochen hatte es in Wien nicht geregnet.
Selene kramte in ihrer Tasche. »Mich macht Schwimmen immer
hungrig, dich auch?« Sie biss in eins der Schnitzel, die ihre Mutter zwischen
zwei Brotscheiben gelegt hatte. Das Glas mit Gurkensalat stellte sie in die
Wiese. Selenes Bauch zeichnete sich unter dem Badeanzug ab, ihr Gesicht wirkte
rundlich und zufrieden. Dazu die halblangen, immer noch brünetten Haare ohne
eine graue Strähne … beneidenswert.
»Woran denkst du?« Selene stieß Berenike leicht mit dem
Ellenbogen an. »Sorgen, Berenike?«
»Hm, naja«, Berenike hustete. Zu viel Essig im Salat. Bei
ihrem biologischen Balsamico passierte ihr das nie. Selene klopfte ihr auf den
Rücken.
Ein Kind mit Windelpopo schaute neugierig zwischen den Frauen
hin und her. »Paulina, komm bitte!«, rief eine Frau. »Paulina, nein! Hierher!«
Berenike griff nach einer Schnitte Brot. Es schmeckte fade.
»Gibt es in Wien keine vernünftigen Bäcker mehr?«
»Geht es dir gesundheitlich so halbwegs?«
»Ja, danke. Seit ich gesund lebe, geht es aufwärts.
Vollkornbrot, Gemüse, Tee statt Kaffee.«
»Kein Fleisch?«
»Nein. Die Massentierhaltung, das kann ich nicht
verantworten. Essen muss wertvoll sein. Es ist doch unser Lebensmittel!«
»Was ist dann mit dir los?« Selene hatte schon immer mit
ihren direkten Fragen überrascht. Berenike überlegte, ob sie der Schwester
trauen konnte. Panic on the Titanic. Gleichzeitig packte sie Wut. Niemand konnte
von ihr erwarten, dass sie all dies einfach so über sich ergehen ließ! Sie
würde nicht die Hände in den Schoß legen und warten, bis sie selbst draufging.
»Es sind zwei Morde in Altaussee geschehen, einer davon bei
mir im Salon. Und eine Freundin ist tot. Abgestürzt im Museumsquartier. Letzte
Nacht. Ich glaube, auch sie wurde ermordet.«
Selene nippte an einem Wellnessgetränk, irgendetwas mit
Zitronengras. Angeblich half es beim Abnehmen. Ein Badewaschl schlapfte über
die Wiese. Berenike erinnerte sich an jenen
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