Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
wollte von ihren positiven Gefühlen erzählen, ihrem
Glauben an eine bessere Zukunft, da fiel ihr Blick auf die offene Eingangstür.
Von draußen drangen Traktorgeräusche herein. »Hast du die Tür noch nicht
zugesperrt?«
»Oha.« Susi nahm den Schlüssel und eilte zur Tür. Hob die
Hand und erstarrte.
»Was ist denn?« Blei in den Füßen, als Berenike näher trat.
Immer diese Vorahnungen!
»Was ist das?« Susi stand noch immer unbeweglich. Berenike
folgte ihrem Blick. Ein seltsames Gerät lag da auf der Türschwelle. Hölzern,
mit einem langen Schraubgewinde. Eine rote Spur zog sich über das alte Holz.
»Blut?« Sie wussten nicht, wer das Wort als Erste ausgesprochen hatte.
»Ich weiß nicht, Berenike.« Susis Stimme zitterte,
ungewöhnlich für die junge Frau. »Oder Farbe?« Susi griff nach dem Werkzeug.
»Besser ich hols herein, oder?« Sie hob es mit spitzen Fingern auf.
»Frau Roither.«
Berenike fuhr zusammen, sah auf. Eine vermummte Gestalt
drängte gerade zur Tür herein und schloss sie mit Nachdruck hinter sich. »Sie
erinnern sich bestimmt.« Jemand in einer weiten, schwarzen Regenpelerine und
einer tief ins Gesicht gezogenen Kapuze. Die Stimme gedämpft durch einen Schal,
den sich dieser Mensch über die untere Gesichtshälfte gewickelt hatte. »Ihre
Zeit ist bald abgelaufen. Ich hoffe, Sie haben den Mörder gefunden. Oder sind
Sie es am Ende selbst gewesen? Sozusagen als mörderische Publicity für Ihren
erfolglosen Laden?«
Berenike machte einen entschlossenen Schritt auf den
Eindringling zu, packte das schwarze Ungeheuer an den Armen. »Lassen Sie die
blöden Witze!«
Unter der Pelerine bewegte sich etwas. Eine Waffe! Das wars
jetzt …
Berenike hörte ein glucksendes Geräusch. Es war nicht zu
fassen: Die Person lachte! Die Stimme kam ihr sehr vertraut vor.
Ein wütender Sprung, ein Griff nach der Kapuze. »Ich glaub
nicht mehr an Ihre Drohungen, Herr Scheiner! Ich fürcht mich nicht vor Ihnen
und Ihren Spielchen! Ich habe einen rechtsgültigen Vertrag und meine Pacht
immer bezahlt. Hauen Sie ab!«
Susi stand hinter ihr. »Was ist denn?«
»Los, ruf die Polizei!«
Scheiner lachte noch immer, schritt seelenruhig Richtung
Ausgang und trat ins Freie.
»Und gib Inspektor Kain dieses«, Berenike schrie jetzt,
»dieses Fundstück. Ich will mit den Ermittlungen nichts mehr zu tun haben.«
Hysterisch. Das war jetzt hysterisch.
Seis drum.
31
Der Tee ist ein Kunstwerk und braucht eines
Meisters Hände, um seine edelsten Eigenschaften zu entwickeln. (Kakuzo Okakura,
Tenshin; Das Buch vom Tee)
Aufwachen bei Sonnenschein. Berenike war
erschöpft ins Bett gesunken und gleich eingeschlafen. In der wohltuenden Stille
ihrer Wohnung war kühle, saubere Luft durchs Fenster hereingekommen. Keine
Baustelle brachte sie wie in Wien um den Schlaf, keine Altpapiercontainer
mussten um 7 Uhr früh geleert werden. Sie trat auf den Balkon, es war
warm, aber nicht heiß. Dr. Watson und Spade schmeichelten miauend um ihre Füße.
»Hey, Guys. Wo ist euer Kollege Marlowe? Habt ihr ihn gesehen?« Der Kater war
seit ihrer Rückkehr nicht aufgetaucht. Ihre erste Katze, die zutrauliche
Esperanza, war spurlos verschwunden, jetzt hatte Berenike immer ein mulmiges
Gefühl, wenn eine von den Miezen nicht aufzufinden war. Gefahren lauerten
überall, mochten die Tiere auch noch so vertraut mit ihrer Umgebung sein.
Berenike kam das grässliche Foto von ihr selbst in den Sinn. Von ihrer
Doppelgängerin, korrigierte sie sich energisch. Zum Glück hatte man ihr kein
Bild einer hingemetzelten Katze geschickt. Trotzdem – Wo steckte ihr Marlowe?
Inspektor Kain hatte das seltsame Gerät
abgeholt. ›Erst verschwinden Sie entgegen meiner Weisung. Und jetzt – was
ist das?‹, hatte er gegrummelt.
Sie schüttelte sich, wollte so die negativen Gedanken
loswerden. Man konnte eine bessere Wirklichkeit erschaffen, mit der Kraft der
eigenen Gedanken, davon war sie überzeugt. Heute wollte sie schwimmen gehen.
Danach würde sie am See frühstücken. Sie bereitete eine Thermoskanne mit grünem
Sencha vor. Beschwingt radelte sie in den Ort. Im kleinen Supermarkt besorgte sie
sich einen Kornspitz mit Käse und eine Banane. Nur eine Frau wartete an der
Kassa vor ihr.
»Berenike, griaß di, bist wieder da?« Die Verkäuferin
lächelte sie freundlich an. Als hätte sie nie jemand geschnitten. Waren die
Rumänen wirklich die Mörder? Es wäre endlich eine
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