Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
beiden machten hoffentlich
nicht gemeinsame Sache! Das wütende Bellen seiner Hunde. Die Kälte kroch ihr in
alle Knochen. Wie sie in der Nacht auf den Balkon getreten war, im seidigen
Nachthemd. Die Luft so kühl. Wie Lahn heraufgesehen hatte, mit diesem Blick.
Wie er die Außentreppe ins Visier genommen hatte. Hatte er vorgehabt, bei ihr
einzusteigen?
Ruhig. Einatmen. Ausatmen. Tempo. Arme. Beine.
Die Entenfamilie kam wieder vorbei. Endlich wurde das Wasser
unter ihr heller. Seichter. Noch ein paar Züge, die Adern an der Schläfe
schmerzten. Sie spuckte Wasser. Finger tasteten nach dem steinigen Grund.
Steine ritzten Haut. Noch im Wasser ließ sie sich fallen. Spitze Steine, es war
ihr egal. Sie hatte es geschafft. So wie sie es letzte Nacht geschafft hatte,
Lahn zu vertreiben. Schnaufen und Schnauben, tierisch. Die Sonne glitzerte
harmlos auf den leichten Wellen. Berenike schob die Schwimmbrille auf die Stirn
und hielt das Gesicht in die Sonne.
»Ist das Wasser kalt?« Eine zackige Männerstimme rief vom Weg
herunter. Muskulöse Oberarme, oranges Oberteil. Ein Frauenkopf, der sich über
die breite Schulter des Mannes beugt.
»Angenehm!«, keuchte Berenike. Langsam kehrte Ruhe in ihren
Körper zurück. Was für eine Panikattacke! Es war beschämend. Sie schloss die
Augen. Ein Stein drückte in ihre Handfläche. Im Wasser schlug etwas immer
wieder sachte gegen ihr Schienbein. Ein Stück Holz wahrscheinlich. Sie öffnete
die Augen, strich sich mit der Hand die nassen Strähnen aus der Stirn. Das Ding
im Wasser trieb gegen ihre Knie. Etwas schmerzte an ihrem kleinen Finger. Hatte
sich verfangen. Dass die Leute auch immer ihren Mist …!
Sie zog die Hand mit einem Ruck aus dem Wasser. Ekel stieg
säuerlich von ihrem Magen auf. Sie fröstelte. Dann brach ein überdrehtes Lachen
aus ihr hervor.
Das war ja …
Das war – noch ärger als sie dachte!
32
Grüner Sencha
Inspektor Kain war schnell, doch Viktor Seller
von der Kleinen Zeitung war noch schneller. Die ersten Fotos – Berenike
mochte nicht daran denken, wie sie darauf aussah. In ihrer Kehle saß kein
Schrei des Verhinderns mehr. Außerdem kannte sie die Medien. Sie würden sich
ihr Foto beschaffen, so oder so. Sie hatte es oft erlebt, wie halbprominente
Stargäste bei Events gejagt wurden. Wenn Firmenchefs sich den Medien verweigern
wollten, weil es wirtschaftlich nicht gut lief. Da arbeitete sie lieber gleich
mit den Medien zusammen.
»Sind Sie mit dem Bild einverstanden?« Seller, jung,
unrasiert und hypernervös, zappelte vor ihr herum. Hinter seinem Rücken machte
sich hektische Betriebsamkeit breit. »Ich muss mir noch Ihren Namen notieren.«
Er suchte in den tausend Taschen seiner braunen ärmellosen Jacke nach einem
Schreibgerät. Endlich förderte er einen billigen, abgekauten Kugelschreiber und
eine alte Kinokarte zutage. »Muss mein Notizbuch vergessen haben«, er warf
einen unruhigen Blick auf die Umgebung. Auf seinem T-Shirt stand etwas von
›Steira-Men‹, natürlich war es grün. Berenike hatte sich auf eine große
Baumwurzel gesetzt.
»Zuerst die Fotos.« Seller hockte sich neben sie und drückte
an der Kamera herum. Auf dem kleinen Display erschien eine Frau mit düsterem
Blick, ihre nassen schwarzen Haare standen in alle Richtungen. Vom rechten
kleinen Finger baumelte etwas, das man erst nach näherem Hinsehen erkennen
konnte. Ein dunkelweißes, poliertes Etwas. Stellenweise angeschwärzt. Und dann,
wenn sich die Haare im Nacken aufstellten, weil der Körper bereits reagierte
und das Nervensystem weitergegeben hatte, was die Augen sahen – dann kam
auch das passende Wortgeflecht in den Sinn: ein menschlicher Kiefer.
Beziehungsweise dessen Reste. Ein Scherz vielleicht. Oder eine Nachahmung. Und
die Gründe?
Ein Streifenwagen rauschte mit Blaulicht und Tatütata an, am
Ufer entlang. Das bereitete Inspektor Kain offensichtlich Spaß. »Sie machen Sachen,
Fräulein Berenike!« Er kletterte schnaubend die Böschung herunter, sein Kollege
Gerbl blieb abwartend beim Wagen.
Berenike hielt ihre Hand hoch. Er betrachtete das Ding an
ihrer Hand, als wären sie in einem Science-Fiction-Film gefangen. Dann kam er
mit einer Decke, legte sie ihr um die Schultern. Wo auch immer er die
aufgetrieben haben mochte. Lieber nicht überlegen. Mit den Händen in
Einweg-Gummihandschuhen, die man sonst nur aus dem Fernsehen kannte, ruckelte
Kain an den Knochen und befreite ihre Finger endlich. Ihr
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