Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
das nicht ungewöhnlich?«
Berenike hatte ihre Tasche wieder aufgenommen und bewegte sich zur Haustür.
»Das weiß ich auch nicht, Frau Roither. So etwas muss die Polizei
ermitteln. Aber was ich weiß, ist, der Anwalt hat ziemlich geprotzt. Ich hab
das von meiner Freundin, die arbeitet im Hotel Seebrise. Kein Wunder, wenn ihn
jemand ausrauben wollt … Er war ein unangenehmer Mensch.« Wem sagte die
Gute das! Frau Gasperl schabte mit der Schaufel metallisch über den Asphalt,
trug das aufgekehrte Laub zum Komposthaufen. Berenike ließ die Hausfrau stehen.
In ihrer Wohnung packte sie sofort aus. Die Katzen
schnüffelten augeregt in ihren Sachen, sprangen in die Tasche und wieder
heraus. Sie öffnete die Fenster und lüftete ausgiebig, die Luft in den Räumen
war abgestanden. Erdiger Regenduft wehte herein. Brachte Kindheitserinnerungen,
an Regenstiefel, in einer Kiste gesammelte Schnecken, die über Nacht das Weite
suchten. Alles war so lange her.
Nach einem Tee und einem Butterbrot, das ihr Frau Gasperl
freundlicherweise spendierte, war es Zeit, im Salon nach dem Rechten zu sehen.
Der Regen machte Pause, also radelte sie hinunter in den Ort. Die Bremsen
funktionierten zum Glück erstklassig, sonst hätte sie auf der nassen Straße ein
mulmiges Gefühl gehabt. Im Salon stapelten sich frisch gelieferte Kisten mit
Tee. Es roch nach Vanille. Postzusteller Rosner scherzte gerade mit Susi.
»Nicht einmal Kaffee darf ich trinken!«, beschwerte er sich mit rauer Stimme.
Man wusste nicht, ob vom Ärger oder von der Erregung wegen Susis Dekolleté.
Berenike spendierte eine Kanne Ayurveda-Tee für alle. Servierte ihn in
grünbraunen Tassen, ein Geschenk von einer Bekannten aus der Mongolei.
»Trinkst halt was Gutes bei uns, Franzi, damit du uns
erhalten bleibst!« Susi lächelte den Postler an, wie sie alle anlächelte.
Rosner nippte mit seinem großen Mund an der kleinen Tasse.
»Nett, aber Kaffee kann dieses Gesöff nicht ersetzen!«, murrte er, bevor er
sich verabschiedete und seine Tour fortsetzte.
Bedanken hätte er sich wenigstens können! Berenike
schnupperte an ihrer Tasse. Versuchte, jene innere Ruhe zu spüren, die sonst
immer entstand, wenn Menschen den gleichen Tee kosteten. Wenn alles andere
außen vor blieb. Im Chajing, dem Buch vom Tee, hatte der chinesische
›Teeheilige‹ Lu Yu manche Teeblätter mit dahintreibenden Wolken verglichen, die
sich hinter den Bergen auftürmen; andere mit sanft gekräuselten Wellen, wie sie
von einer leichten Brise erzeugt werden. Was für eine Welt!
Endlich entspannt, besprach sie mit Susi das Vorgefallene.
Die Sache mit der Maus war blöd, aber auch das würde sich regeln lassen. Der
Salon hatte in den Tagen von Berenikes Abwesenheit ganz annehmbare Umsatzzahlen
gehabt. Wenn es so weiter ging, hatte sie das Ärgste überstanden. ›Pantha Rei‹,
alles fließt.
»Ach, bevor ich es vergesse: Inspektor Kain ist mehrmals da
gewesen.« Susi trank den letzten Schluck Tee.
»Du hast mich deswegen angerufen, ja. Was wollte er?«
Susi beugte sich zu Berenikes Tasse hinüber. »Hast du
ausgetrunken? Sehr gut, ich wasch alles ab.« Schwungvoll stand die junge Frau
auf, verschwand mit wippenden Locken in der Küche. Berenike packte die
Katzenfigur aus, die sie in einem Chinashop in Wien um wohlfeile neun Euro
erstanden hatte. Sie platzierte das Goldkätzchen in der Auslage zwischen ein
historisches Buch über das Ausseerland und eine Prise Tee, die Susi auf einen
kleinen Teller gestreut hatte. Die asiatische Verkäuferin hatte Stein und Bein
geschworen, dass massenhaft Kunden ihr Geschäft betraten und viel mehr Geld
dort ausgaben, seit eine ebensolche Katze diese mit winkender Pfote
hereinlocke. Abwarten …
»Was hat er gewollt, der Kain?«, Berenike war zu Susi in die
Küche getreten
Kain, immer wieder Kain!
»Keine Ahnung. Mir hat ers nicht sagen wollen. Ist schon
haftig, die Morde. Da gruselt es einen direkt, gell? Und der in Wien noch
dazu …«
»Hat er zufällig eine Gruppe Rumänen erwähnt?« Der Inspektor
wollte sicher nur überprüfen, ob sie einen der verdächtigten Fremdländer
erkannte. Kein Grund zur Sorge.
»Nein, wieso?«
»Egal. Erklär ich dir, wenn ich weiß, was Kain so Dringendes
mit mir zu besprechen hat«. Im Salon wischte Susi den Tisch sauber. Fragend sah
sie auf die Katzenfigur. Berenike erläuterte ihr das Geheimnis der Glückskatze.
»Meinst?« In Susis Augen zeigte sich Skepsis.
Berenike
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