Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Ofenloch hinaus.
Auf dieselbe Weise, wie er das Verbrechen begangen, sollte er gerettet werden.
Jetzt stand er auf dem Gange, er war verschlossen und es war lebensgefährlich, so hoch aus dem Fenster zu springen. Er gewahrte einen Besen, der an der Wand stand. Schnell entschlossen öffnete er das Fenster, drückte den Besen in die Ecke, wo der Thurm mit dem Nebenhaufe zusammengebaut war, schwang sich auf den Stiel und rutschte so hinab.
Der Nachtwächter hatte es wohl bemerkt, aber er bekreuzte sich dreimal und flüchtete die Staffeln hinauf, denn er hatte den leibhaftigen Teufel auf einem Besen durch die Luft reiten sehen.
Florian war nun frei. Er rannte die Straße hinauf, kroch in ein Gewölbe, das zum Abflusse des jenseitigen Bergwassers dient, grub mit den Händen den Boden auf, fand das Geld und eilte damit durch den Wald.
Während der Gefangenschaft Florians war die Mutter der Creszenz gestorben. Alle Leute bestürmten nun den Schneiderle, bis er seine Tochter wieder in's Haus aufnahm.
In derselben Nacht, als Florian aus dem Gefängnisse entflohen, erwachte Creszenz in plötzlicher Angst aus dem Schlafe; sie hatte geträumt, Florian rufe sie zum Tanze und sie konnte doch ihren Strumpf nicht anziehen, so sehr sie sich auch abmühte.
Weinend saß sie nun in ihrem Bette und sprach das Gebet für die armen Seelen im Fegfeuer. Es schlug vier Uhr, sie stand auf und verrichtete alle Hausgeschäfte. Als es kaum tagte, ging sie hinaus in den Wald, um Holz zu sammeln. Seit ihrem Unglück war ihre Thätigkeit übermäßig, es war, als wollte sie das müßiggängerische Leben Florians einbringen. Sie hatte für alle ihre Arbeiten keinen Dank, und doch war fast kein leeres Plätzchen mehr im Hause, so fleißig hatte sie Holz und Tannzapfen gesammelt.
Als sie nun zum Walde kam, fand sie am Saum desselben einen weißen Knopf, sie erkannte ihn, daß er von dem Wammse Florians war, sie verbarg ihn still in ihrem Busen; hinausschauend über die Berge und das Thal, sagte sie so vor sich hin: »Mein Kreuz ist groß, und wenn ich auf den höchsten Berg steig', ich kann's nicht übersehen.«
Ohne Holz gesammelt zu haben kehrte sie wieder heim. Sie weinte und freute sich als sie Florians Flucht vernahm; sie weinte, denn sie wußte nun, daß er ein Verbrecher war, und sie freute sich, daß er jetzt doch gerettet sei.
13.
Die ärgsten Spießruthen und die Linderung.
Florian war indessen immer weiter geeilt, und als es Nacht wurde, machte er sich aus den Zehentgarben auf dem Felde eine Hütte und schlief darunter.
In einer Schenke hatte er ein Messer gestohlen, dafür aber heimlich zwölf Kreuzer in das Salzfäßchen auf dem Tisch versteckt; mit dieser Waffe machte er sich nun in einer Schlucht seinen Schnurrbart herunter.
Nichts desto weniger wurde er aber, als er die badische Grenze betreten wollte, verhaftet. Jetzt klagte er dem Landjäger sein Unglück nicht mehr, er wehrte sich mit aller Macht und suchte sich frei zu machen; er ward aber niedergeworfen und gefesselt.
Die Steckbriefe waren angekommen, und nun wurde er von Amt zu Amt den bewaffneten Landjägern übergeben. Stille, ohne ein Wort zu reden schritt er dahin, seine rechte Hand und sein rechter Fuß waren zusammengefesselt; er kam sich selber vor wie ein Thier, das zur Schlachtbank getrieben wird.
Als er aber von Sulz kommend aus dem Empfinger Wäldle trat, sein Heimathsort vor ihm stand und er nun merkte, daß er in Fesseln mitten durch dasselbe geführt werden sollte, da warf er sich vor dem Landjäger auf die Knie und bat ihn weinend, er möchte ihn doch um Gotteswillen hinten am Dorfe vorbei nach der Stadt führen.
Der Landjäger aber sagte: »Nein!« und Florian schlug sich mit der linken Hand auf die Augen als ob er sich dieselben ausschlagen wollte, damit er seine Schmach nicht sehe; seine Rechte klirrte machtlos mit der Kette. Florian, der einst so Vielbewunderte, der sich freute, daß die Blicke Aller auf ihn gerichtet waren, sollte nun in so traurigem Geleite, mit so schmählichem Schmucke durch das Dorf wandeln. Jetzt wünschte er, daß kein Mensch ein Auge für ihn haben möchte. Als er an des rothen Schneiderle's Haus vorbeikam, stand Creszenz an der Reisbeige und hackte Holz. Das Beil entfiel ihrer Hand, eine Minute stand sie erstarrt, dann flog sie mit ausgebreiteten Armen auf Florian zu und lag an seinem Halse; der Landjäger machte sie sanft los. »Ich geh' neben dir durch das Dorf,« sagte Creszenz ohne zu weinen; »du sollst dich
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