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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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»Wenn ich ein Glück bekomme, theilst du's mit mir?«
    »Wenn ich dich nur Dich ganz krieg',« war die Antwort, vom Theilen sagte sie nichts.
    Im Hause des Wadeleswirths war's nun wieder so still und friedsam wie ehedem. Hatte Reinhard in der letzten Zeit auch weniger tolle Streiche losgelassen, so machte er doch noch immer Lärm genug im Hause; jetzt ging Alles wieder seinen alten Weg, kaum daß Einer mehr des Fernen gedachte. Wie schnell schließt sich der Strom des Lebens hinter einem Menschen, der aus einem Kreise tritt! Nur Lorle hegte das Andenken Reinhard's tief im Herzen, Tag und Nacht. War sie früher stets liebreich und gut gegen die Eltern und Alle im Hause gewesen, so war sie's jetzt doppelt; sie wollte immer Alles thun und bereiten für Jedes. Niemand wußte woher das kam, und man kümmerte sich auch nicht viel darum; Lorle aber that dadurch im Innersten Abbitte, daß sie die Ihrigen in Gedanken schon verlassen hatte und bald ganz von ihnen scheiden werde, sie wollte ihnen noch Gutes erzeigen, so viel sie vermochte.
    In der Stadt betrieb Reinhard seine Anstellung mit allem Eifer. Als der Collaborator seine Verwunderung darüber äußerte, erwiderte er: »Ich will dir's nur gestehen, ich bin mit Lorle verlobt.«
    »Was?« rief der Collaborator gedehnt, Staunen und Kummer sprach aus seinem Antlitze; »wenn sie Einer heirathen und aus ihrem Boden reißen dürfte, so wär' das nur ich, ich allein; ja lache nur, ich verstehe sie allein; du bist viel zu wild, du darfst eigentlich gar nicht heirathen. Hat dir denn der Vater das Mädchen gegeben?«
    »Nein.«
    »O, so ist noch Hoffnung, daß sie Keiner von uns Beiden bekommt,« schloß der Collaborator schelmisch.
    Reinhard ging nicht vom Fleck, bis er sein Ernennungsdecret erhalten hatte. Am Morgen nachdem solches ausgefertigt war, sagte er beim Erwachen zu sich selber: »Guten Morgen Herr Inspektor, mit dem Titel Professor; haben Sie wohl geruht? Hast dir nun auch ein Hundsband umbinden lassen und war dir doch so wohl, als du frei umhergelaufen bist.« Als er vor dem Spiegel stand, verbeugte er sich ganz höflich und sagte: »Ihr Diener, Herr Professor! Gehorsamer Diener siebente Rangklasse.«
    Dennoch freute sich Reinhard in dem Gedanken, wie ganz anders er nun vor den Wadeleswirth hintreten und um dessen Tochter freien könne, und wie glücklich auch Lorle sein werde.
    Schnell packte er seine Gliederpuppe und einiges alte Seidenzeug zusammen, das er zur Gewandung gekauft hatte, und bald rollte er wieder dem Dorfe zu, wo seine Liebe wohnte.
     
Nur stet.
     
    Auf dieser Fahrt machte ein Gedanke die Wangen Reinhard's von einer fremden Glut entbrennen. Er kam so eben aus den Kreisen der teppichunterbreiteten Existenzen, alsbald überkam ihn ein besonderes Behagen an dieser verfeinerten Welt, an dieser Anmuth heiterer Geistesspiele, voll tändelnder Musik und sprühender Witzfunken, fernab von der rauhen Wirklichkeit, ausschreitend aus der engbürgerlichen Umzäunung; er hatte das Gelüste rasch niedergekämpft, jetzt kam es in veränderter Gestalt wieder und zeigte ihm, wie Lorle diese Freiheit des Lebens nie verstehen werde, wie sie doch seinem ganzen künstlerischen Denkkreise fern stehe – er war in seinem eigenen Hause mit seinem tiefsten Wollen ein Fremder.
    Das war ein böser Blutstropfen in Reinhard und er machte ihm die Wangen glühen.
    Den Gedanken: Lorle nach und nach heranzubilden, warf er bald von sich und er rief fast laut: »Nein, sie soll das frische Naturkind bleiben mitten im Trödel der Stadt; sie bedarf keiner andern Welt, ich bin ihre ganze Welt.« – Er bat sie in Gedanken um Verzeihung, daß sein Sinn nur einen Augenblick sich von ihr entfernen konnte.
    Für ein erregbares Gemüth haben weite Strecken, die von einer Lebenswendung bis zur andern zu durchmessen sind, ihr Gutes und ihr Schlimmes; sie dämmen oft die berauschende Seligkeit des Gefühls, beschwichtigen aber auch die leicht sich eröffnenden Zwiespältigkeiten.
    Sorglos, als wäre das nicht der entscheidendste Lebensgang, fuhr Reinhard dahin; selbst seine Sehnsucht war eine abgeklärte, friedsame. In der Amtsstadt ließ er sein Gepäck zurück und eilte auf dem Waldwege dem Dorfe zu. Je näher er kam, desto heftiger loderten die Flammen der Liebe wieder in ihm auf; mit zitternden Pulsen rannte er dem Hause zu. Die Bärbel stand unter der Thür und reichte ihm die schwielige Hand: »Ihr kommet bald wieder, ich hätt's nicht glaubt,« sagte sie; Reinhard konnte nicht antworten,

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