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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Erscheinung.
    »Jetzt möcht' ich auch sterben,« sagte Lorle endlich und Reinhard erwiderte: »Ich sag' wie du: nein, erst recht leben, lang, lang leben.«
    »Bin ich jetzt fertig?« fragte Lorle aufstehend.
    »Ja.«
    »So will ich gehen, es wird jetzt schon wieder fröhlicher werden.«
    Reinhard wollte sie zum Abschied küssen, sie aber wehrte streng ab und sagte: »Jetzt nicht, nein, mir zulieb.« –
    Reinhard gönnte sich nun auch wieder einige Erholung. Auch ihm war ganz eigen zu Muthe, da er seit vielen Tagen in einer steten Spannung und Aufregung gelebt hatte. Als er das Lorle erklärte, sagte sie: »Mir ist auch so, wie wenn ich aus der Fremde käm', wie wenn ich gar nicht daheim gewesen wär'.« –
    Auf seinen Wanderungen begegnete Reinhard wiederum Wendelin, der trübselig aussah. Reinhard fragte: »Was hast? Warum bist so traurig? Weil du ein neues Brüderle bekommen hast?«
    »O nein, von deswegen nicht, mein Vater hat gesagt, wo Fünfe halb hungern, kann ein Sechstes auch mitthun.«
    »Nun was hast du denn?«
    »Ja gucket, mein Scheck da (er wies auf eine stattliche Kuh), der ist vorgestern verkauft worden für 53 Gulden; der Metzger Heuberer von G. (er nannte die Amtsstadt) hat ihn 'kauft und läßt ihn noch sechs Wochen laufen, nachher holt er ihn. Ich krieg' einen Sechsbätzner Trinkgeld, aber es macht mir kein' Freud; der Scheck ist mir doch der liebst' von allen und jetzt thut mir's so weh um den Scheck, der frißt jetzt da fort wie wenn er ewig leben sollt', und da kommt der Metzger und schlägt ihm auf Einmal auf den Kopf und da liegt er, todt ist er.«
    Der Knabe sah Reinhard gedankenvoll an, dann fuhr er fort: »Mich freut's nur, daß der Metzger betrogen ist.«
    »Wie so denn?«
    »Ja gucket, er hat den Scheck viel zu theuer 'kauft, aber er möcht' gern dem Meister (Dienstherrn) das Maul süß machen, weil er sein Lorle heirathen möcht', und da ist er doch angeführt.«
    »Warum? Denkst du nicht mehr so gut vom Lorle?«
    »O Ihr!« sagte der Knabe zornig, »wie er mich anguckt, wie ein gestochener Bock mit seinem langen Bart; ja gucket nur zu, ich fürcht' mich nicht, ich bin nicht in Euch vernarrt wie das Lorle.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ja, ich bin nicht so dumm. Wie vergangenen Sonntag der Martin nach der Stadt ist, hab' ich für ihn Eure Stiefel 'putzt, und da ist das Lorle kommen und hat gesagt, ich soll's gut machen und hat die Stiefel anguckt mit ein paar Augen, das waren Augen! Und da hab' ich's gleich gemerkt, was es geläutet hat. Und gestern Nacht, wie ich in der Kammer lieg', da hör' ich wie mein' Mutter dem Vater erzählt, daß das Lorle in Euch verschossen ist. Und wenn das Lorle fort ist und mein Scheck ist fort, und da geh' ich halt auch fort.«
    Reinhard suchte den Knaben zu trösten, es bedurfte dessen kaum, denn er sang und jodelte hinter Reinhard lustig in die Welt hinein.
    Reinhard sah nun, daß ihr Verhältniß doch schon dorfkundig war; er ging nachdenklich das Thal entlang. Es wurde Abend, die Mäher waren emsig, das thaunasse Oehmdgras zu mähen, die sterbenden Gräser hauchten noch würzigen Duft aus, Reinhard breitete oft die Arme aus, als wollte er tausend Leben an seine Brust drücken. Jetzt befiel ihn aber ein Trübsinn: rasch, in voller Blüthe ihrer frischen Liebe, wollte er Lorle Sein nennen, und doch war seine Zukunft so unsicher; er warf die Sorge von sich, er wollte den Tag genießen, die fliehende Minute, und was gelingt nicht einem frischen Herzen im freien Wandern? Reinhard sah eine Weile sein selbst vergessend den Abendbremsen zu; die zogen erst jetzt auf Nahrung aus und schwebten oft ganz ruhig, unbewegt auf einem Fleck in der Luft, wie an einem Abendstrahl aufgehangen; ihre Flügel drehten sich wie leichte Wolkenrädchen zur Seite, bis sie wie angestoßen auffuhren; sie hatten eine kaum sichtbare Beute erhascht und hielten sich nun wieder ruhig auf ihrer neuen Stelle. Der geräuschvolle Tag verstummte immer mehr, ein sanftes, nächtiges Flüstern hauchte durch Zweig und Gras, Reinhard schweifte immer weiter, es zog ein Lied durch seinen Sinn, er wußte nicht was, ihm war traurigfroh zu Muthe; da hörte er einen einsamen Burschen jenseits des Baches singen:
     
    Ihr Sternle am Himmel,
    Ihr Tröpfle im Bach,
    Verzählet mei'm Schätzle
    Mein Weh und mein Ach.
     
    O die Liebe kann nicht genug Boten finden, ihre unnennbare Seligkeit und ihr tiefes Leid zu verkünden. Und der Bursche sang weiter:
     
    Die Sternle in's Wasser,
    Die Fischle in 'n

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