Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
Vom Netzwerk:
und als sie sich jetzt zum Erstenmale wieder sahen, flammte ihre ganze Liebe auf und Reinhard rief: »Vater, gebt mir das Lorle jetzt, hier.«
    »Nur stet, das ist nichts so, wie Bettelleut' hinter der Heck; wartet bis wir heim kommen.«
    In diesem Schlußsatz lagen vielverheißende Worte. Hand in Hand schritten die Liebenden dahin, sie bedurften keines Austausches der Worte. Als man gegen das Dorf kam, machte sich Lorle Etwas an ihrem Schurzbändel zu schaffen, sie ließ dadurch die Hand Reinhards los und faßte sie nicht wieder.
    Im Stüble war endlich die ganze Familie beisammen; Alles stand, nur der Vater saß und nach einer sattsamen Pause begann er:
    »Alte, was meinst? sollen wir sie einander geben?«
    »Wie du's machst, ist's Recht,« sagte die Frau.
    »Guck, Lorle, so muß eine Frau sein, merk' dir das, bis du einmal eine bist,« sagte der Vater und Lorle ward glühendroth, da sie ihre Zukunft sich vorhalten hörte. Der Vater sagte nun aufstehend: »Ich mein' wir machen jetzt die Handreichung und wenn die Ernt' vorbei ist, halten wir Verspruch, und über's Jahr könnet ihr in Gottes Namen heirathen. Hat mein Bauernstolz Recht?« fragte er, Reinhard derb auf die Schulter klopfend.
    »Guter Vater!« war Alles, was dieser hervorstottern konnte.
    »Nun, Ihr seid auch ein guter Mensch, ich will das nicht läugnen. Jetzt fertig.«
    Alles reichte sich nun die Hand und Reinhard küßte noch die Mutter innig, den Vater konnte er nicht küssen, dieser schüttelte ihm nur starr die Hand.
    Als die halb unterdrückte Rührungsscene noch nicht vorüber war, stellte sich der Wadeleswirth wieder breitspurig vor Reinhard und sagte:
    »Jetzt hab' ich noch ein Wörtle mit Ihm zu reden, du Lump, du liedricher! Und was ich dem Mädle geb', darnach fragt Er gar nicht und thut wie wenn Er ein Bettelmädle bekäm'? Und unser gut Sach', was wir erhauset haben, das ist Ihm ein Pfifferling, das ist Ihm gar nichts werth? Potz Heidekukuk, das ist ein' Lumpenwirthschaft. Ja, es ist mir ernst, es ist da nichts zum Lachen, Himmelheide –«
    »Um Gottes willen sei doch still,« rief die Mutter, »wenn's ja Ein's hört, so meint es, du thätest zanken und wir hätten Händel.«
    »Lorle,« erwiderte der Vater; »merk' dir das jetzt auch, das mußt du nicht thun; wenn der Mann red't, muß das Weib still sein. Jetzt genug, jetzt ganget an's Geschäft.«
    Alles entfernte sich, Lorle wollte mit Reinhard Hand in Hand weggehen, der Vater aber winkte ihr und sagte: »Bleib du noch ein bisle da.« Lorle war allein mit dem Vater im Stüble und dieser sagte: »Jetzt bist doch zufrieden? brauchst nicht heulen, darfst lustig sein; jetzt paß auf ... ja, was ich doch sagen will, ja ... mach', daß du dein Kränzle am Hochzeitstag mit Ehr' und Gewissen tragen kannst.«
    Lorle fiel dem Vater nicht um den Hals, sie verbarg ihr Antlitz nicht, frei und stolz schaute sie drein und sagte fest: »Aetti, Ihr wisset gar nicht, wie brav er ist.«
    »Glaub's, ist mir schon Recht, wenn er brav ist, verlaß dich aber auf kein' andere Bravheit als auf die deinige; jetzt gang.«
    Das waren nun glückselige Tage, die den Verlobten aufgingen. In Reinhard hatte das Offenkundige ihres Verhältnisses gar nichts geändert, Lorle dagegen fühlte sich jetzt viel freier; sie war stets voll Entzücken, wenn Eines nach dem Andern aus dem Dorf kam und ihr Glück wünschte. Fast Jedes hatte etwas Besonderes an Reinhard zu loben und man bedauerte nur, daß Lorle so weit weg käme; sie nahm aber Jedem das Versprechen ab, daß es sie besuchen, bei ihr wohnen und essen müsse, wenn es nach der Hauptstadt käme.
    Einige Besonderheiten Lorle's zeigten sich schon jetzt. Fast nie ließ sie sich von Reinhard am Arme durch das Dorf führen, draußen aber faßte sie ihn von selbst, hüpfte und sang voll Freude. Nie war sie zu bewegen an einem Werktage Mittags mit Reinhard spaziren zu gehen, wenn aber der Feierabend kam, dann war sie bereit; das war der Dorfsitte gemäß, unter deren Herrschaft sie stand.
    Ein Umstand veranlaßte viele Erörterungen zwischen dem Schwiegervater und Reinhard. Dieser wollte nämlich schon zum Frühherbst heirathen, er konnte nicht lange Bräutigam sein, sich nicht Monate und Jahre mit der Sehnsucht nähren; der Schwiegervater wollte aber durchaus nicht, daß man die Sache so über's Knie abbreche. Das Weibervolk im Hause wußte indeß, daß er schon nachgeben werde, und die Mutter ließ bei allen Webern in der Umgegend tuchen und bei allen Näherinnen schneidern,

Weitere Kostenlose Bücher