Schwarzwaelder Dorfgeschichten
zu Lorle wollte er sein erstes Wort sprechen; er eilte die Treppe hinan, Niemand war im Hause. Lorle war, wie Bärbel erzählte, mit den Eltern nach der Stadt gefahren, von wo Reinhard eben herkam.
Mit der Botschaft der Lebenserfüllung auf den Lippen stundenlang harren zu müssen, das war eine schwere Aufgabe.
Reinhard machte sich bald wieder auf, den Ankommenden entgegen zu gehen, aber als er schon eine Stunde den Waldweg gegangen war, besann er sich erst, daß er so in Gedanken dahingeschritten sei, während doch das Wägelchen mit den Heimkehrenden bereits den Fuhrweg dahingerollt sein konnte; er kehrte still wieder um, traf jedoch auch die Erwarteten noch jetzt nicht zu Hause. Mit namenloser Angst quälte ihn der Gedanke, daß ihm Lorle mit Gewalt entzogen sein konnte, die Eltern waren ja mit ihr in der Stadt und er mußte sich sagen, daß er durch seine Zweifel solches verschuldet haben konnte; aber die ganze Treue Lorle's stand wieder vor ihm, und als es Nacht wurde, war es ihm als ob das Bild auf der Staffelei hell leuchte; er zündete Licht an und betrachtete jetzt nach längerer Abwesenheit das Bild wieder; er staunte fast vor sich selbst, hier war ihm Etwas gelungen, was ein Anderer, ein Mächtigerer geschaffen hatte.
Reinhard nahm die Zither und wollte spielen und singen, aber er hörte bald wieder auf, er legte sich endlich angekleidet auf das Bett, er wollte heute noch die Seinigen sprechen, keine Stunde seines Glückes versäumen; er verschlief aber doch die Ankunft der Hausbewohner, die spät in der Nacht erfolgte.
Die Mutter war zu Bett gegangen, der Vater saß im Stüble und las die mitgebrachten Zeitungen, Lorle machte sich aber, trotz aller Ermahnungen, noch immer Etwas in der Stube zu schaffen; endlich kam sie zaghaft zum Vater in's Stüble und sagte:
»Aetti, ich hab' ein' Bitt'. Machet das Licht aus und bleibet da.«
»Nur stet, warum denn?«
»Ich bitt', ich hab' Euch was zu sagen und ich kann's nicht so.«
»Närrisches Kind, meinetwegen. Nun jetzt ist das Licht aus, nun jetzt red'.«
Lorle legte die Hand auf die Schulter des Vaters und sagte ihm mit zitternder Stimme in's Ohr: »Der Herr Reinhard hat mich gern und ich ihn auch, und er will mich und ich will ihn und keinen andern auf der ganzen Welt.«
»So? Und das habt ihr unter euch ausgemacht?«
»Ja.«
»Nur stet, gang jetzt schlafen, morgen ist auch ein Tag; wir reden ein Andermal davon.«
Kein Bitten und kein Betteln Lorle's half, sie erhielt keinen andern Bescheid.
Als der Wadeleswirth nun noch gewohntermaßen das ganze Haus durchmusterte, fand er die Thüre Reinhards halb offen, er drehte von außen den Schlüssel um; Reinhard war eingeschlossen.
Am Morgen ward Lorle vom Vater »zeitlich« geweckt. Als sie herabgekommen war, sagte er: »Du gehst gleich auf die Hohlmühle und bleibst da bis ich komm'.«
Lorle mußte gehorchen, sie wußte wohl, da half keine Widerrede; sie durfte nicht mehr die Treppe hinauf, sondern mußte sich schnurstracks aufmachen.
Der Wadeleswirth ging umher und zankte mit Stephan und mit Allen, weil sie eben keine so schlaflose Nacht gehabt hatten wie er; endlich saß er im Stüble und las die Fruchtpreise auf den verschiedenen Schrannen, aber trotz der hohen Sätze hatte er die Lippen zusammengekniffen und trommelte unwillig mit dem Fuße auf dem Boden. Von oben vernahm man jetzt mächtiges Pochen an eine Thüre, da erinnerte sich der Wirth, daß er Reinhard eingeschlossen habe, und befahl der Bärbel, ihm aufzuschließen; dadurch ersparte er sich's auch, dem Maler alsbald frischweg die Meinung zu sagen. Reinhard kam zum Wirt und streckte ihm beide Arme entgegen, dieser aber saß ruhig, hielt mit beiden Händen die Blätter und so darüber wegschauend, sagte er: »Auch wieder hiesig?«
»Und ich hoffe zu Hause,« sagte Reinhard.
»Nur stet. Ich sag's Euch grad heraus, packet Eure Sachen zusammen und b'hüt Euch Gott.«
»Und das Lorle?« fragte Reinhard zitternd.
»Das will ich schon wieder zurecht bringen, das ist mein' Sach', da hat Niemand nichts drein zu reden.«
»Und ich geh' nicht aus dem Haus, bis mir das Lorle selbst gesagt hat, daß ich gehen soll.«
»So? Ist das der Brauch bei Euch Herren aus der Stadt? Ich kann auch anders ausgeschirren. Verstanden?« sagte der Wadeleswirth aufstehend.
»Ich hätte den Bauernstolz nicht bei Euch vermuthet,« sagte Reinhard.
Der Wadeleswirth schnaubte grimmig und ballte beide Fäuste; er schaute Reinhard von oben bis unten stumm an, wie wenn
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