Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Egidi's hatte sich im Hinhorchen da und dort bereits verändert. Fast das ganze Dorf ist auf Seite des Vaters und gewiß mit Recht; es ist ja sonnenklar, daß der Pfarrer ihn beschimpfen wollte. Egidi, der an Autoritäten hing, ließ die allgemeine Meinung des Dorfes als solche auf sich wirken, ja er schien schon fast geneigt, die Kraftäußerung des Vaters sich zum Stolze anzurechnen. Zwar stieß ihn noch ein Etwas von der Theilhaftigkeit am Ruhme zurück, aber es geht damit leicht wie mit dem Gelde; wer es überkommt, fragt nicht leicht, wie es erworben worden. Egidi war in jeder Beziehung ein Erbe. Er trat oft nur scharf und bestimmt auf, um seine Unselbständigkeit vor sich und Anderen zu verdecken; er wollte ein Mann sein und sich namentlich seinem Vater gegenüber als solcher hinstellen, weil er dessen Uebermacht zu schwer fühlte; er schloß manchen ungeschickten Pferdehandel ab, ohne seinen Vater dabei zu Rathe zu ziehen, so gern er das auch innerlich sich wünschte; er wollte allein den Meister zeigen. In seinen Reden und Gedanken hielt sich Egidi gern an Sprüchwörter u.dgl., das waren ja auch Erbstücke von unwandelbarem Gepräg und Werth. Luzian ließ den Sohn ganz für sich gewähren, als er diese gewaltsame Ermannung wahrnahm, besonders hatte er bis jetzt jede Einwirkung in religiösen Dingen unterlassen, da das wohl abzuwarten war, und Luzian selber gestand sich kein Recht zur Bekehrung Anderer zu, so lange er selbst nicht ganz offen war.
Egidi hatte ein frommes, weiches Gemüth, überdies gehörte er zu jenen Menschen, die als geborene Unterthanen erscheinen; es war ihm wohl dabei, wenn man ihm die Last der Selbstregierung vorweg abnahm, je wenn man ihn nie dazu kommen ließ. Unsichere Naturen lieben es, wenn ein Arzt bei Tische ist und ihnen sagt, daß diese und jene Speise ihrer Leibesbeschaffenheit nicht unverträglich, ja sogar förderlich sei; mit der innersten Lust der Sorglosigkeit geben sie sich dann dem Genusse hin, und tritt einmal eine Störung ein, der Heilkünstler hat ja Mittelchen genug, er weiß zu helfen. In religiösen Dingen ist es für Viele noch anmuthender, sich auf Lebenszeit eine Diät vorschreiben und in außerordentlichen Fällen nachhelfen zu lassen; die oft halsverdrehende Selbstbeobachtung, die beschwerliche Selbstgesetzgebung, mit ihrem Gefolge der eigenen Verantwortlichkeit, ist dadurch beseitigt.
Egidi sagte sich's nie deutlich, aber er war ganz froh und wohlgemuth, daß die Geistlichen für Alles vorgesorgt hatten, daß es da bestimmte Pflichten zu üben, bestimmte Gebete zu sprechen gab. Wenn er nun dennoch für freie Wahl der Geistlichen stimmte, so lag ihm so wenig, wie den Meisten, die Folgerung davon offen, daß die Mitwirkung auf das Innere der Lehre sich nothwendig daran anschließen müßte. Vorerst dachte er, wie die Anderen, nur an die freie Wahl der Person; warum sollte der Geistliche nicht ebenso aus freier Wahl hervorgehen, wie der Schultheiß?
Noch auf dem Wege nach dem elterlichen Hause hatte Egidi allerlei Bedenkliches über den Vater rumoren gehört, aber er glaubte nicht daran, es war nur Unverstand und Böswilligkeit, die so Gottloses aussprengen konnten. Still setzte er sich zur Mutter auf die Laube.
»Der Gaul, der zieht, auf den schlägt man; so geht's auch beim Vater,« sagte er endlich.
»Warum? was hast wieder?«
»Nichts Schlimmes. Der Vater muß halt am Meisten ziehen von den Gemeindeangelegenheiten, die Anderen, die lottern mit all' ihrem Reden doch nur so neben her und ziehen keinen Strang an. Der Vater hätt' sollen studirt haben, das wär' sein Platz, ihm käm' Keiner gleich.«
Die Mutter nickte lächelnd, sie sah in den versöhnlichen Worten Egidi's nur die Folgen ihrer scharfen Zurechtweisung und freute sich dieser Bekehrung. Schnell vergaß sie Alles, was vorgegangen war; ihr Mutterherz hatte es ja nie geglaubt, daß der Sohn mißtreu gegen den Vater werde. Sie ließ sich gern von Egidi erzählen, wie Alles im Dorfe vom Lobe Luzians überströme, und sie sagte einmal ganz selig: »O redet nur, es kennt ihn doch Keines so wie ich. Wenn man jetzt bald dreißig Jahr' mit einander haust, da ist man wie Ein Mensch; ich ich kann ihn nicht loben, es wär' mir wie Eigenlob.«
Es war ihr so wohl zu Muth, daß sie nach einer Weile begann: »Und jetzt spür' ich's erst, daß ich zu Mittag keinen Bissen über's Herz bracht hab'. Wart' ein bisle, ich lang' einen Most 'rauf', wir wollen ein bisle vespern. Du ißst doch auch gern ein Mükele
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