Schwarzwaelder Dorfgeschichten
kalten Speck? Ja ich bring'.«
Die Ahne war auch herzugekommen, sie jammerte, daß Luzian auf und davon sei, ohne Jemand was gesagt zu haben; man wisse jetzt gar nicht, wohin man ihm in Gedanken nachgehen sollte.
»Es ist auch nicht gut,« sagte sie, »wenn man außer dem Hause mit sich in's Reine kommen will; was man daheim nicht findet, ist draußen verloren. Aber mein Luzian ist brav, das ist das Beste.«
Egidi wollte die Rückkunft des Vaters abwarten; es wurde indeß Nacht, Frau und Kinder harrten seiner, er ging heim zur Mühle. Als er vor dem Dorfe war, läutete die Betglocke, er zog die Mütze ab und wandelte betend durch das Feld.
Unterdessen hatte Bäbi den Paule aufgesucht. Sie war keineswegs frei von mädchenhafter Selbstherrlichkeit, die in jedem Falle unbewegt zuwartet; aber sie wußte und wollte heute nichts davon. Sie fand Paule im Stall und bat ihn flehentlich, den Fuchsen zu satteln und dem Vater nachzureiten. »Du bist ihm lieber als der Egidi,« sagte sie, und sprach damit deutlich genug aus, wie er so unzertrennlich zum Hause gehöre. Eine trübe Ahnung hatte sich in der Fürsorge um den Vater ihrer bemächtigt, sie war daher froh, als Paule sagte, der Vater werde nach der Stadt geritten sein, um den Pfarrer dort bei Gericht anzuzeigen. Nun hatte sie doch einen Halt in ihrer unsteten Angst.
»Ihr Männer seid doch immer gescheiter,« sagte sie. Das begütigende Wort that keine Wirkung.
Paule blieb mürrisch, und Bäbi war zu bräutlichem Kosen nicht aufgelegt. Sie war Paule gegenüber seltsam befangen; sie lobte ihn nur, weil sie sich in Gedanken stolz und überhebend dünkte, ihr war's als sei sie mit hundert Lebenserfahrungen und Veränderungen von einer großen Reise zurückgekehrt, und müßte sich erst an die bekannten Menschen und ihr Gebaren wieder gewöhnen. Darum war das Zusammensein heute verfremdet und der Abschied frostig. Paule wollte, daß sie ihn, wie sonst immer, ein Stück Weges heim geleite, Bäbi aber wollte heute das Haus nicht verlassen, nicht unter fremde Menschen gehen; sie fürchtete den alleinigen Rückweg und das Geschwätz der Begegnenden.
»Du könntest wohl jetzt auch einmal unter der Woche kommen,« rief Bäbi dem Weggehenden nach.
»Wenn's sein kann,« erwiderte Paule und trollte sich grollend fort.
In scharfem Trab war Luzian von Hause weggeritten, er wußte selbst kaum wohin; erst auf dem Wege faßte er die Stadt als Ziel in's Auge, er wollte sogleich zum Oberamtmann. Unweit der Stadt überholte er eine Kutsche, darin saß der Pfarrer. Luzian hielt an, stellte außerhalb der Stadt in der Krone ein und kehrte, ohne Jemand gesprochen zu haben, wieder nach Hause.
Schlafenszeit war schon lange da, aber auch die Ahne blieb auf, um ihren Luzian zu erwarten. Endlich kam er, der Gaul ging im Schritt und kaum hörbar, als ob er Socken an den Hufen hätte und kein Eisen. In der That hatte er auch eines verloren, aber Luzian trug es in der Tasche, denn trotz alles Sinnens und Denkens hatte sein scharfes Ohr bald gemerkt, daß der Gleichlaut des Schrittes unterbrochen war; er kehrte daher nochmals um, und sein spähendes Auge fand in dunkler Nacht das verlorene Hufeisen.
Luzian übergab das Pferd dem Oberknecht mit der Weisung, daß es morgen beschlagen werden müsse. Als er eben dem Hause zuschritt, hörte er, wie der Oberknecht zum zweiten Knecht sagte: »Das ist einmal kein Sonntag gewesen.«
»Wo kein Glaube ist, ist auch kein Sonntag,« lautete die Antwort. Luzian wollte eben umkehren, um den Beiden bessere Ansichten beizubringen, da rief die Frau von der Laube:
»Bist du da? komm.«
»Man muß nicht nach allen Mücken schlagen,« dachte Luzian, und ging die Treppe hinan.
Mit unsäglicher Freude wurde er bewillkommt, Jedem war er wie neu gewonnen, ein Jedes wollte ihm etwas abnehmen, ihm zur Erleichterung und sich zur freudigen Gewißheit, daß er da sei. Bäbi brachte die Pantoffeln, kniete nieder und wollte dem Vater die schweren Stiefeln ausziehen, Luzian wehrte ab, indem er sagte:
»Seit wann brauch' ich denn einen Bedienten?«
Luzian drang darauf, daß Alles bald zur Ruhe komme, er selber aber lag noch lange unter dem offenen Fenster und schaute hinein in den funkelnden Sternenhimmel; er hatte keinen festen Gedanken, ihm war's so leicht und flügge, als schwebte er mit den Sternen dort im unendlichen Raum. Unwillkürlich faltete er die Hände und betete das einzige herrliche Gebet, das ihm geblieben war: Vater unser, der du bist im Himmel – aber
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