Schwarzwaelder Dorfgeschichten
schon hielt er inne. »Gott im Himmel?« sprach er, »das ist ein Wort, im Himmel; Gott ist überall.« ... Er hörte auf zu beten, und doch konnte er die Hände nicht auseinander falten. Wo die eigene Kraft dich verläßt und zur Neige ist, wo du nicht mehr fassen, wirken und schaffen kannst, da fügen sich die Hände still in einander, und dieses Sinnbild spricht: ich kann nicht mehr, waltet ihr, ihr ewigen Mächte! So verharrte Luzian unbewegt, Nichts regte sich in ihm, Alles lautlos, wie draußen in der stillen Nacht, und jetzt stieg das Wort des Knechtes zu ihm herauf: »Wo kein Glaube ist, ist kein Sonntag.« Nein, nein, feiern wir denn darum den Sonntag, weil Gott in sechs Tagen die Welt geschaffen und am siebenten geruht? Braucht denn Gott Tage zum Schaffen und Tage zum Ruhen? Die Menschen setzten sich einen Tag, an dem sie der Arbeit ledig sein wollten. Wird aber dieser inne gehalten werden ohne Religion? Er muß. Und was sollen wir an ihm beginnen? Uns freuen und zu aller gegenseitigen Hülfe bestärken.
Es schlug zwölf. Fahr' hin alter Sonntag, es kommt ein neuer!
O Schlaf! Du schirrest aus die straffen Bande der schaumschnaubenden, staubstampfenden Gedanken; du lässest sie flugbeschwingt hinsegeln, hoch in sanft kühlende Wolken; du führest sie zu unsichtbaren Quellen und tränkest die Seele mit neuer Kraft, und badest sie in süßem Vergessen. Wer könnte sie tragen die unaufhörliche Last des Gedankens, erschienst du nicht, einziger Erlöser!
Und in mondbeglänzter, geistdurchwebter Nacht sprießt der Thau am Blüthenkelch, sprudelt der Quell im Felsengrund, den Leib zu heilen, zu reinen; bist du der strahlende Bruder des Schlafes, du allbelebendes, reinendes Wasser?
Sühneversuch und neuer Zerfall.
Am Morgen hatte Luzian die zufällige Entdeckung von gestern nicht vergessen; er machte seine Frau ganz glücklich, indem er ihr die fünfzehn Eier aus dem verborgenen Nest brachte. Die undankbare weiße Henne wurde darauf von Bäbi im Hofe müde gejagt, sie flog manchmal über den Kopf der Verfolgenden weg, sank aber doch endlich ermattet nieder, wurde gefangen und blieb fortan eingesperrt.
Luzian führte den Braunen zum Schmied Urban und ließ ihm dort das Eisen wieder aufschlagen. Er hielt den Huf empor, fast die ganze Last des Thieres lag auf ihm; da kam der Schütz und sagte: »Luzian, du sollst auf's Rathhaus kommen, vor den Kirchenkonvent.«
»Ich muß mir vorher ein Eisen aufschlagen lassen, daß der Schinder auch was 'runter reißen kann, wenn er mich auf den Anger kriegt. Sag nur, ich komm' gleich.«
»Luzian, es ist kein gut Zeichen, wenn man so wilde Späß' macht. Es wär' bös, wenn das die ganze Kunst vom Unglauben wär',« so sagte der Schmied Urban. Der Angeredete schien betroffen, und erst nach geraumer Weile erwiderte er lächelnd: »Wer sich mausig macht, den frißt die Katz. Nicht wahr?«
Luzian hatte des Kämpfens eigentlich schon übergenug, zumal da er das nächste faßbare Ziel sich selber entrückt hatte. Es war doch nur ein einziger Tag, seitdem er in offenem Kriege oder besser im Zweikampfe stand, aber es dünkte ihn schon eine unermeßlich lange Zeit, so viel hatte er durchgemacht.
Wenn nicht eine Schaar von Genossen den Kämpfer umgiebt und in ihrer eigenen Entflammung die Kampfeslust immer neu vor Augen führt und im Urheber anfacht, wenn nicht sichtbar von außen der Brand, den man geworfen, in Flammen fortlodert, so glaubt der Einzelne leicht, er könne Alles ändern, noch sei es in seine Hand gegeben; es ist vorbei, wenn er sich selbst zurückzieht. Er vergißt im Gefühl des Rechts und der Großmuth, daß er den Feind zur Gegenwehr gereizt, die sich nicht mehr halten läßt.
In allerlei Gestalt tritt die Versuchung auf. Sie sagt oft kaum nachdem der erste Streich gefallen: laß ab, du hast genug gethan, du hast deiner Ueberzeugung willfahrt, du dringst doch nicht durch.
So war Luzian in seltsam friedfertiger Stimmung nach dem Rathhaus gegangen; er machte sich keine Vorstellung davon, wie denn wieder Alles in's alte Gleise kommen könne, genug, er war in sich begütigt. In der kleinen Rathsstube nickte er den Versammelten, worunter auch der Pfarrer, unbefangen zu, und sein »Guten Tag beinander« tönte so fest und hell, daß man nicht wußte, was darin lag.
Der Pfarrer winkte dem Schultheiß deutlich mit der Hand, er solle reden, und dieser begann:
»Der Herr Pfarrer hat heute wieder Mess' in der Kirch' gelesen, von Entweihung ist demnach kein' Red'
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