Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Verantwortung im Franziskanerkloster ein, und das Gerücht ging, daß er dieser Tage reumüthig gestorben sei. »Wär' es ihm nicht wohler gewesen als armer Taglöhner? Was hat er zu Stande gebracht?« Das überdachte Luzian, und er saß in tiefer Trauer auf dem Bänkchen. Er hatte die Hände gefaltet zwischen die Knie gedrückt; in allen Fingern klopften Pulse.
So trafen ihn die Männer aus dem Dorfe. Er richtete sich auf, seine Lippen waren bleich und bebten.
»Luzian, ist dir was?« fragte Wendel.
»Nein, was giebt's?«
»Wir sind da,« begann Urban, »wir halten zu dir, der Pfarrer muß aus dem Ort.«
»Und weiter?«
»Und das freie Wahlrecht müssen wir haben.«
»Und weiter? Nein,« sprach Luzian ruhig, drückte eine Weile mit der Hand die Augen zu und fuhr dann fort: »Ich bin ein Erzschelm, ein Lügner, verdammter als ein räudiger Hund, wenn ich nicht Alles sag'. Ich, ich will gar nichts mehr von dem Pfarrer wissen, von dem nicht und von keinem andern, von keinem alten und von keinem neuen, von gar keinem. Ueber die Schrift hinaus, da gehet ihr doch nicht mit?«
»Was sagst? wie?«
Luzian hob die Arme mit geballten Fäusten rasch empor und schleuderte sie nieder, indem er rief: »Ich glaub' nicht an die heilig' Schrift, das Wort Gottes, wie sie's heißen. Gott hat nie geschrieben und gesprochen. Die Pfarrer sind nur Bauchredner und machen, wie wenn die Stimm' von oben käm'. Ja, ja,« lachte er krampfhaft, »Bauchredner, so ist's; sie reden, daß sie nur was in den Magen kriegen. Nun? wie? haltet ihr noch zu mir?«
Die Blicke Aller senkten sich. Urban raffte sich zuerst auf, er trat auf Luzian zu, legte seine Hand auf dessen Schulter und sagte: »Luzian, mußt jetzt keine Späß' machen, du bist doch sonst nicht so. Wir haben's jetzt mit dem Pfarrerle da, da sitzt der Putzen.«
Rasch schüttelte der Angeredete die aufgelegte Hand von der Schulter und rief: »Ich fürcht' dich nicht, Urban, und noch so zehn wie du; wer noch einmal sagt, daß ich Späß' mach', den schlag' ich ungespitzt in den Boden.«
»Was hast denn?« fragte Wendel besänftigend, »wenn man dir was sagt, so ist's grad', wie wenn man Schmalz in's Feuer schüttet.«
»Lasset mich unkeit (unbehelligt) mit eurem Glauben, ganz weg muß er,« schloß Luzian und stieß die beiden Ellbogen hinter sich, als entferne er das ihm Störsame.
Still schlichen die Mannen davon, nur Wendel blieb und sagte:
»O Luzian, du hast viel verdorben, mehr als du in zehn Jahren wieder gut machst. Wer Alles sagt, was er weiß, dem wird das kalte Wasser im Bach zu heiß. Jetzt nutzt dich all dein Ansehen von früher nichts mehr. Die Mannen haben sich Alle zusammen than, wie ein Sack voll Nägel; er ist schneller ausgeschüttet, als wieder zusammengelesen. Was hast denn nöthig gehabt, das Alles zu sagen?«
»Weil ich's los sein will, Alles los sein will. Jetzt bin ich frei. Den Anderen kann ich doch nichts helfen, es ist mit Lug und Trug und Hinterhalt doch nichts geholfen. Wenn ich jetzt Nachts in's Bett steig', legt sich ein ehrlicher Kerl.«
»Und was hilfst du damit?«
»Jeder muß sich selber helfen.«
»Nein Luzian, du hättest viel 'naus führen können im Dorf und in der ganzen Gegend. Wer weiß wie's nach und nach gegangen wär', man muß nur abwarten. Jetzt hast du die Flint' in's Korn geworfen mit Pulverhorn und Kugeltasche. Was hast denn ausgeführt?«
»Ich bin ehrlich und aufrichtig, ich kann mir alle Aederle aufschneiden lassen, es ist nichts Verstecktes mehr drin.«
»Ich sag' noch einmal Luzian: man muß kein unrein Wasser ausschütten, bis man reines hat.«
»Das Glas muß leer sein.«
»Ich seh' wohl, es battet nichts. B'hüt dich Gott, Luzian. Ich muß nach und will sorgen, daß die Mannen kein falsches, unnöthiges Geschrei machen. B'hüt dich Gott! Ich wünsch', daß du nie Reu haben mögest, von wegen dem, was du than hast.«
Luzian schaute dem Weggehenden lange nach, er hatte die Arme auf der Brust über einander geschlagen; er hielt nichts mehr als sich selber.
Endlich riß er sich aus allem Denken heraus, ging in den Stall, sattelte den Braunen und ritt zum Dorf hinaus. Wohin? Nur fort, fort.
Wie endet der Sonntag!
Während Luzian auf schnaubendem Rosse in's Weite stürmte, kehrte Egidi bedächtigen Schrittes in's väterliche Haus zurück. Die Scheltworte der Mutter gingen ihm wenig mehr zu Herzen, denn er gedachte des balsamreichen Spruches: »Es ist so ernst gemeint, wie ein Mutterfluch.«
Die Stimmung
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